Aus jungen Tagen von Karl Kraus

Nie kann es anders sein.
Nun wirft mein Glaube keinen Schatten mehr.
Von deinem großen Lichte kam er her,
von des Geschlechtes rätselhaftem Schein.
 
Nun bin ich ganz im Licht,
das milde überglänzt mein armes Haupt.
Ich habe lange nicht an Gott geglaubt.
Nun weiß ich um sein letztes Angesicht.
 
Wie es den Zweifel bannt!
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Wie wirst du Holde klar mir ohne Rest.
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Wie halt' ich dich in deinem Himmel fest!
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Wie hat die Erde deinen Werth verkannt.
 
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Du gabst dich zum Geschenk
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der Welt, ich hab es für dich aufbewahrt.
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Ich habe Gott den größten Schmerz erspart.
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Geliebte, bleibe deiner eingedenk!
 
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Wie glänzt mir deine Pracht.
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Dein Menschliches umarmt, der beten will.
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Er heiligt es im Kuß. Wie ist sie still
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von Sternen, deiner Nächte tiefste Nacht.
 
21 
Nie soll es anders sein.
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Ob alles Irdische zerbricht und stirbt,
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nur dein Zerfall ein geistig Glück verdirbt.
24 
Vergib dich an die Erde nicht, sei dein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Aus jungen Tagen“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
154
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Aus jungen Tagen“ wurde von dem österreichischen Schriftsteller und Publizisten Karl Kraus verfasst. Kraus ist bekannt für seine kritischen, oft satirischen Texte, in denen er vor allem die Gesellschaft seiner Zeit aufs Korn nimmt. Er lebte von 1874 bis 1936, was das Gedicht recht sicher in die Zeit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert einordnet.

Bei der ersten Betrachtung erweckt das Gedicht eine ruhige, aber ernste Stimmung. Jede Strophe ist vierzeilig, was dem Gedicht eine formale Ordnung gibt. Die verwendete Sprache ist relativ einfach und schlicht, jedoch mit einer tiefen emotionalen Note.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht einen inneren Wandel des lyrischen Ichs in Richtung Erkenntnis und spiritueller Erleuchtung. Es beginnt mit dem Resultat dieses Prozesses („Nie kann es anders sein“) und reflektiert daraufhin diesen Prozess. Das lyrische Ich spricht von einem Verlust des Glaubens, welcher jedoch durch ein „großes Licht“ ersetzt wird, welches wiederum von der „Geliebten“ ausgeht. Die Geliebte scheint in diesem Gedicht weniger eine konkrete Person, sondern eher ein symbolischer Bezugspunkt für Transzendenz und Erleuchtung zu sein.

In der formalen Analyse fällt auf, dass das Gedicht eine klare Struktur hat. Es besteht aus sechs vierzeiligen Strophen. Außerdem wird in jedem Vers das stimmliche Muster unterstrichen, entweder durch Alliterationen oder Reime. Die Sprache ist, wie bereits erwähnt, einfach und klar, doch auch bildhaft und metaphorreich. Es wird viel mit Kontrasten gearbeitet, wie etwa dem zwischen Dunkelheit (Unwissenheit, Zweifel) und Licht (Erkenntnis, Glaube).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Karl Kraus in „Aus jungen Tagen“ eine spirituelle innerliche Wandlung beschreibt. Ehemaliger Zweifel und Unglaube weichen einer Erleuchtung durch die metaphorisch dargestellte Geliebte. Die klare Struktur und Form, gepaart mit der kontrastreichen und bildhaften Sprache, geben dem Gedicht eine harmonische und doch tiefgründige Struktur.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Aus jungen Tagen“ ist Karl Kraus. Der Autor Karl Kraus wurde 1874 in Jičín (WP), Böhmen geboren. 1920 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 154 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Die Gedichte „Auferstehung“, „Bange Stunde“ und „Bekenntnis“ sind weitere Werke des Autors Karl Kraus. Zum Autor des Gedichtes „Aus jungen Tagen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 61 Gedichte veröffentlicht.

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