An den Schnittlauch von Karl Kraus

O gutes Grün, wie sprichst du mich zärtlich an,
Wie heilig schweigst du von dem Geheimnisse.
Du letzter Schmuck der armen Mutter,
Die ihren Schoß mit der Söhne Blut färbt.
 
Daß du zugleich bist und daß mit dir zugleich
Der Wille lebt, an dem eine Menschheit stirbt —
Ach, irdisch Unmaß! und dir wird nicht
Fahler die Farbe, du grüne Hoffnung.
 
O letztes Leben und wie das Leben auch
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Verkannt, du Anbot wahrster Bescheidenheit,
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Du selbstgenügsam stille Pflanze,
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Die nur wie Schnittlauch schmeckt und duftet.
 
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Nach etwas suchend, welches kein andres ist,
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Im Kreis des Lebens, das im Ersatz sich lebt,
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Bloß deine gute Gabe sah ich,
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Chemischem Zauber unerreichbar.
 
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Daß gleichwohl, grüne Freundschaft, du eßbar seist,
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Wenn auf dem Teller treu du dich hingestreut —
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Es rührt noch von dem alten Hunger.
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Stets hat der Mensch von der Seele gegessen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An den Schnittlauch“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
139
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

In Karl Kraus' Gedicht An den Schnittlauch thematisiert das lyrische Ich den einfachen Alltag, in dem durch kleine Dinge tiefe Gefühle geweckt werden. Durch die Vergleiche mit der Mutter, der Menschheit und dem Hunger macht sich der Autor Gedanken über die Bedeutung von Schnittlauch, welcher symbolisch für all die kleinen, simpel erscheinenden Dinge steht, die aber gleichsam ein Segen und Trost für uns sein können.

Das lyrische Ich stellt die positive Wirkung des Schnittlauchs dar. Das Gedicht beginnt mit einer ehrfürchtigen, warmen Klage über den magischen Duft, der den Autor in den Bann zieht, und über die Hoffnung, die der Schnittlauch als Farbe und Symbol vermittelt. Der Autor betont auch die Bescheidenheit des Schnittlauchs, die aus seinem Anspruchslosen und Selbstgenügsamen Dasein erwächst.

Der Autor drückt in dem Gedicht auch seine Betrachtungsweise über die kleinen Dinge aus, die uns im Alltag Trost spenden können. Er erkennt, dass diese subtilen Momente in unserem Leben für uns existieren, um es zu bereichern und zu beglücken. Er sieht auch die menschliche Sehnsucht nach etwas Unerreichbarem in der Bescheidenheit des Schnittlauchs.

Abschließend betont der Autor die unabdingbare Bedeutung dieser einfachen Dinge, die wir im Alltag oft vergessen. Auch wenn sie simpel und unbedeutend erscheinen mögen, so können sie uns doch Trost und Freude spenden. Durch die Vergleiche mit der Mutter, der Menschheit und dem Hunger macht sich der Autor Gedanken über die Bedeutung und positiven Erfahrungen, die wir durch die kleinen Wunder des Alltags machen können.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An den Schnittlauch“ ist Karl Kraus. Im Jahr 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. 1920 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist München. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 139 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „Abenteuer der Arbeit“, „Absage“ und „Abschied und Wiederkehr“ sind weitere Werke des Autors Karl Kraus. Zum Autor des Gedichtes „An den Schnittlauch“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.

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