Städter von Alfred Wolfenstein

Zweite Fassung

Nah wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.
 
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinanderragt.
 
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
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Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
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Flüstern dringt hinüber wie Gegröle
 
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Und wie stumm in abgeschloßner Höhle
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Unberührt und ungeschaut
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Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Städter“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
77
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Städter“ wurde von Alfred Wolfenstein, einem deutsch-jüdischen Schriftsteller und Übersetzer, verfasst. Geboren in 1883 und gestorben in 1945, passt sein Schaffen vornehmlich in die Epoche des Expressionismus, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelte.

Auf den ersten Blick beschreibt das Gedicht das Leben in der Stadt, genauer die Engen und Nähe, die durch die Urbanisierung und den Mangel an Raum entstehen.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit je vier, vier, drei und wieder drei Versen. Es ist ungewöhnlich, dass die letzte zweite und vierte Strophe nicht die gleiche Verszahl hat, wie die erste und dritte Strophe. In der thematischen Gliederung werden zuerst die äußeren Bedingungen in der Stadt und die physische Nähe der Menschen beschrieben. Dann folgt die Schicht des emotionalen, inneren Erlebens in dieser Umgebung.

Das lyrische Ich erzählt von der räumlichen Enge und Nähe in der Stadt, wobei Häuser, Straßen, Fenster und Menschen so dicht gedrängt sind, dass sie fast ineinander versinken. Die Stadt wirkt dabei unangenehm, bedrückend und erstickend für das lyrische Ich. Dieses Gefühl wird symbolisch durch die Aussage, dass die Häuser so dicht aneinander stehen, dass die Straßen grau geschwollen wie Gewürgte aussehen, zum Ausdruck gebracht.

Es wird ebenfalls die emotionale Nähe thematisiert. Die Aussage „Unsre Wände sind so dünn wie Haut, dass jeder teilnimmt, wenn ich weine“ verdeutlicht, dass die Bewohner der Stadt emotional in den Alltag des anderen involviert sind, sei es gewollt oder ungewollt.

Gleichzeitig wird das Gefühl der Einsamkeit und Isolation inmitten der Masse beschrieben. Trotz der körperlichen und emotionalen Nähe fühlt sich das lyrische Ich alleine und unberührt.

In Bezug auf die Form sind die Verse nicht gereimt, was zum expressionistischen Stil des Autors passt. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch.

Zusammenfassend beschreibt Wolfensteins Gedicht „Städter“ das paradoxe Gefühl der Einsamkeit in der Masse und die Erdrückung durch die räumliche und emotionale Enge des Stadtlebens. Es zeigt die dunkle Seite der Urbanisierung, die trotz Nähe und Vielzahl eine Einsamkeit in den Individuen hervorruft.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Städter“ ist Alfred Wolfenstein. Der Autor Alfred Wolfenstein wurde 1883 in Halle geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Wolfenstein ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 77 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Alfred Wolfenstein ist auch der Autor für Gedichte wie „Städter“. Zum Autor des Gedichtes „Städter“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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