Wolfenstein, Alfred - Städter (Analyse, Gegenüberstellung der 2 Fassungen)

Schlagwörter:
Alfred Wolfenstein, Analyse, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Wolfenstein, Alfred - Städter (Analyse, Gegenüberstellung der 2 Fassungen)
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Referat

„Städter“ von Alfred Wolfenstein

Städter
von Alfred Wolfenstein

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.
 
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, ihre nahen Blicke baden
Ineinander, ohne Scheu befragt
 
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
10 
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine,
11 
Unser Flüstern, Denken... wird Gegröhle...
 
12 
- Und wie still in dick verschloßener Höhle
13 
Ganz unangerührt und ungeschaut
14 
Steht ein jeder fern und fühlt: alleine.

(„Städter“ von Alfred Wolfenstein ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24 KB) zur Unterstützung an.)

Städter
von Alfred Wolfenstein

Nah wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.
 
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinanderragt.
 
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
10 
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
11 
Flüstern dringt hinüber wie Gegröle
 
12 
Und wie stumm in abgeschloßner Höhle
13 
Unberührt und ungeschaut
14 
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.

(„Städter“ von Alfred Wolfenstein ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24 KB) zur Unterstützung an.)

Die beiden Fassungen des Gedichtes weichen nur geringfügig voneinander ab. Wolfenstein hat hier offenbar eine Verfeinerung, aber keine tief greifenden Veränderungen vorgenommen. Der Sprachstil der späteren Fassung ist der ersten gegenüber ein wenig runder, die Worte gehen leichter von den Lippen und Ungereimtheiten, wie die doppelte Verwendung des Worte „dicht“ in der ersten Strophe, welches auf zwei verschiedene Arten gebraucht wurde, verschwinden.

Die Ersetzung des Wortes „still“ gegen „stumm“ in der letzten Strophe zeigt ebenfalls eine deutlichere Dynamik eines verstummten, abgeschlossenen Individuums gegenüber einem vielleicht nur temporär stillen Motivs.

Alfred Wolfenstein, der Autor des Gedichtes „Städter“ wurde am 28. Dezember 1883 in Halle geboren. Seine Familie zog bald nach Berlin um, wo er sein Jurastudium erfolgreich abschloss. Bevor er 1916 nach München ging, begann er bereits als freier Schriftsteller in Berlin zu arbeiten. Während seiner Zeit in München, die bis 1922 andauerte, lernte er seine spätere Frau Henriette Hardenberg kennen. Wieder in Berlin flüchtete er vor einer bevorstehenden Verhaftung im Jahr 1934 nach Prag. Bei der Besetzung der Tschechoslowakei 1939, floh er wieder, diesmal nach Paris. Dort wurde er von der Gestapo interniert, jedoch bald wieder freigelassen und verbrachte die Kriegsjahre auf der Flucht in Südfrankreich und in Paris. Während dieser Zeit schrieb er seinen einzigen, unvollendet gebliebenen Roman „Frank“ – nach seinem Sohn benannt – und den Gedichtzyklus „Der Gefangene“. Wolfenstein beging am 22. Januar 1945 nach der Befreiung von Paris Selbstmord in einem Krankenhaus.

Dieses Gedicht handelt von der Einsamkeit in einer Gruppe, genauer gesagt von der Einsamkeit unter dem Einfluss der Gesellschaft.

In den Strophen 1 und 2 wird die Gesellschaft beschrieben, mit ihren dichten Gassen die von eng aneinander gebauten Häusern umrandet sind.

Strophe 3 spricht von der nicht vorhandenen Möglichkeit, sich von der Umwelt abzuwenden, um in sich zukehren. Während Strophe 4 von einem Ort der Ruhe und Stille redet, wo ein Mensch nur mit sich selbst ist und allein leben kann. Auffallend sind Wortverbindungen wie Wände und Haut (Personifikation), Fenster und Löcher eines Siebes (Metapher) oder auch Fassaden und Leute (wiederum eine Personifikation).

Bei unserem Gedicht handelt es sich um die klassische Form eines Sonetts, bestehend aus dem Reimschema abba, cddc, efg, gef, sprich 2 umarmende Reime so wie 2 nicht reimschematisch festgelegte, aber zusammenhängende Strophen. Das Ganze wurde geschrieben in einem 5-hebigem Jambus.

Thema des Gedichtes ist, wie bereits erwähnt, die Einsamkeit unter dem Einfluss der Gesellschaft. Dies zeigt sich durch die Darstellung der Gesellschaft, so wie die Darstellung der Einsamkeit durch das Wort „alleine“. Die Gesellschaft wird dargestellt als eng aneinander gebaute Häuser, und Menschen die an allen möglichen Orten dicht zusammengedrängt auf engstem Raum leben. Dem Individuum wird es nicht ermöglicht, sich frei zu entfalten, da es keinen Platz gibt, wo man nicht belauscht oder gesehen wird.

Die einzige Möglichkeit, die sich für das Individuum bietet, um sich zu entfalten, spiegelt sich in der Isolation wider. In der Isolation ist man für sich allein. Man ist in der Lage mit sich selbst ins Reine zu kommen, oder einfach mal abzuschalten.

Der Autor will mit diesem Gedicht die Leute aus ihrer Monotonie der Gesellschaft befreien und ihnen eine Möglichkeit zur Selbstfindung geben.

Fazit:

Alfred Wolfenstein hat es bereits zu seiner Zeit bemerkt, dass die Menschen durch die massenhafte Gesellschaft in Monotonie verkommen. Mit seinem Gedicht „Die Städter“ wollte er auf dies aufmerksam machen. Innerhalb der Gesellschaft, ist man nicht in der Lage sich frei zu entwickeln. Ich sehe dies persönlich ähnlich. Ein Mensch braucht gelegentlich ein wenig Einsamkeit, oder Isolation um sich danach wieder in die Gesellschaft anderer Menschen zu begeben.

Ohne diese gelegentlichen Isolationen würde der Mensch in sich kollabieren, und an den Folgen des nicht ausgelebten Privatlebens, der nicht ausgedachten Gedanken, den nicht ausgefüllten Gefühlen in sich zu Bruch gehen.

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