Der Blinde von Rainer Maria Rilke

Paris

Sieh, er geht und unterbricht die Stadt,
die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle,
wie ein dunkler Sprung durch eine helle
Tasse geht. Und wie auf einem Blatt
 
ist auf ihm der Widerschein der Dinge
aufgemalt; er nimmt ihn nicht hinein.
Nur sein Fühlen rührt sich, so als finge
es die Welt in kleinen Wellen ein:
 
eine Stille, einen Widerstand —,
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und dann scheint er wartend wen zu wählen:
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hingegeben hebt er seine Hand,
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festlich fast, wie um sich zu vermählen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Blinde“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
80
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Blinde“ stammt von Rainer Maria Rilke, einem bedeutenden Dichter der literarischen Moderne. Rilke lebte von 1875 bis 1926, die genaue Entstehungszeit des Gedichts kann allerdings nicht ohne weiteres bestimmt werden.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es sich um eine detaillierte Beobachtung einer alltäglichen Szene handelt, nämlich einem blinden Mann, der durch eine Stadt geht. Dabei wird das lyrische Ich quasi zu einem Bildhauer des Lesers, formt in dessen Vorstellung das Porträt dieses blinden Menschen.

Inhaltlich betrachtet, versucht das lyrische Ich in Rilkes Gedicht, die Welt aus der Perspektive dieses blinden Menschen zu schildern. Dabei wird stark auf Metaphern und visuelle Bilder zurück gegriffen, um zu beschreiben, was dieser Mensch fühlt: Die Abwesenheit der sichtbaren Welt um ihn herum, die Anwesenheit der Dinge nur durch ihr Ertasten, die Stille, den Widerstand wenn er auf ein Hindernis stößt, das Fühlen der Welt in kleinen Wellen. Die Szenerie des Gedichts wird durch die Bewegungen und Empfindungen des blinden Mannes bestimmt und dargestellt. Es geht um das Ertasten und Erkennen der Welt ohne das Sehen – ein Thema, das Rilke in seiner Lyrik oft behandelt.

Formal betrachtet ist „Der Blinde“ in drei Quartette, also Vierzeiler, unterteilt. Welches Versmaß Rilke gewählt hat, ist nicht direkt aus dem Text ersichtlich, es scheint jedoch, dass er sich für einen freien Vers entschieden hat. Die Sprache des Gedichts ist charakteristisch für Rilke: Sie ist bilderreich und metaphorisch, dennoch klar und verständlich. Der Dichter versucht nicht, durch komplexe Verschlüsselungen zu verwirren, sondern seine Bilder und Metaphern dienen dazu, dem Leser die Welt des blinden Mannes näher zu bringen.

Insgesamt lässt sich Rilkes Gedicht „Der Blinde“ als ein faszinierendes Beispiel für die Fähigkeit der Dichtung sehen, uns in neue Perspektiven und Wahrnehmungen einzuführen und uns so unsere eigene Welt in neuem Licht zu zeigen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Blinde“ ist Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. 1918 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 80 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Die Gedichte „Abend“, „Abend“ und „Abend“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Blinde“ weitere 338 Gedichte vor.

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