Meine Wahl von Karoline Marie Luise Brachmann

Du gehst dahin? O, mein Geliebter, weile,
nur einen Augenblick noch bleib' zurück!
Vielleicht schon warten dein des Todes Pfeile
in blut'ger Schlacht, erfüllend dein Geschick!
Wo ich mit dir denselben Aether theile,
verläng're noch den sel'gen Augenblick!
Vielleicht, daß nimmer wir uns sehn hienieden,
Leb' wohl! Dir folget meines Herzens Frieden.
 
Doch nein! nicht Kummer ist's, was ich empfinde!
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In Einklang löset sich der herbe Streit!
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Wer wehrt es mir, daß da mein Glück ich finde,
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wo Thränen nur ein streng Verhältnis beut?
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Daß Seele sich mit Seele fest verbinde?
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Daß ewig dir dieß treue Herz sich weiht?
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Hielt dich ein streng, ein heilig Band umfangen,
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mir g'nügt es, dir, anbetend, anzuhangen!
 
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Mir g'nügt es, wenn der Reine, Gottgeweihte,
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getrennt von mir, erfüllt die ernste Pflicht,
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daß ihn mein Geist mit Sehnsuchtsflug begleite,
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daß einst mein Auge mit dem seinen bricht!
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Entfernt von dir, bin ich dir stets zur Seite;
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Dein süßes Bild macht meine Nächte licht!
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O glücklich, könnt' auch ich dein strenges Leben
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mit einem sanften Rosenflor umweben.
 
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Du dürfstest nicht um meine Liebe werben?
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Versagt sey dir das Ziel der Erdenlust?
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Ein bess'res Glück werd' ich auf Erden erben?
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O, wo ist Glück, als an der Liebe Brust?
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Als deine Braut, Geliebter, lass' mich sterben!
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Mir ist kein and'res, schön'res Loos bewußt!
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Kein Sterblicher soll mich als Gattin grüßen!
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Dein bin ich, dort, wo ew'ge Myrthen sprießen!
 
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Hienieden wird der Musen heil'ges Streben
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zur Thätigkeit die junge Kraft mir weihn!
35 
Du wirst zu schönern Träumen mich erheben,
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wirst meinen Tönen süßen Klang verleihn!
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In meinen Liedern wird dein Bildnis leben,
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So bin ich ganz mit Seel' und Kräften dein.
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Ist deiner Sängerin ein Lied gelungen,
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Dein ist der Preiß, du, der ihr Herz durchdrungen!
 
41 
Wohl schmücke denn des Ordens ernstes Zeichen,
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das Kreuz der Christen, die geliebte Brust!
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Ich darf nicht mehr vor seinem Glanz erbleichen,
44 
mir ist sein schön'rer, tief'rer Sinn bewußt!
45 
Das Leben flieht, der Erde Schatten weichen!
46 
Bald nimmt uns auf des sel'gen Himmels Lust!
47 
Die Hochzeitsfackeln seh' ich jenseits blinken;
48 
O, mein Geliebter, unsre Myrthen winken!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.6 KB)

Details zum Gedicht „Meine Wahl“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
344
Entstehungsjahr
1777 - 1822
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Meine Wahl“ ist Karoline Marie Luise Brachmann, eine deutsche Schriftstellerin und Lyrikerin aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Sie schrieb dieses Gedicht während der Romantik um das Jahr 1800.

Beim ersten Eindruck vermittelt dieses Gedicht starke Gefühle des Verlangens, der innigen Sehnsucht, aber auch der Resignation. Das lyrische Ich spricht offensichtlich zu einer geliebten Person, die scheinbar im Begriff steht, fortzugehen.

Das Gedicht erzählt von einer Frau, dem lyrischen Ich, deren Geliebter sich aufmacht, wohl in den Krieg zu ziehen. Sie fleht ihn an einen Moment zu verweilen, den Glücksmoment der gemeinsamen Zeit auszudehnen. Sie kündigt aber auch an ihm treu zu bleiben, ihn anzubeten und ihn geistig zu begleiten. Sie sieht sich an seiner Seite in der Ferne und träumt davon, seine harte Realität mit Rosen zu umweben.

Die Frau erkennt, dass er sie nicht um ihre Liebe werben darf, dass das Ziel ihrer irdischen Lust versagt bleibt. Doch trotz dieser Widrigkeiten besteht sie darauf, dass sie seine Braut sein will, nicht auf Erden, sondern im Jenseits. Während er abwesend ist, widmet sie ihr Leben und ihr Streben den Musen, gibt ihren Liedern seinen Klang und sein Bildnis. Am Ende des Gedichts zeigt sich die Hoffnung auf ihr Zusammenkommen in der Ewigkeit, symbolisiert durch blinkende Hochzeitsfackeln und winkende Myrthen.

Die Form des Gedichts besteht aus sechs Strophen mit jeweils acht Versen. Jeder Vers besteht aus einem einzelnen Gedanken, was dem Gedicht einen kraftvollen emotionalen Fluss verleiht. Die Sprache des Gedichts ist sehr emotional, sogar pathetisch, mit starken Bildern von Liebe, Tod und Sehnsucht. Das Gedicht verwendet eine altertümliche und formale Sprache passend zu dem historischen Kontext, in dem es entstanden ist. Es ist geprägt von hohem Pathos und bildlichen Formulierungen, die das innere Empfinden der sprechenden Person widerspiegeln.

Insgesamt ist „Meine Wahl“ ein Gedicht voller Emotionen, hohem Pathos und Sehnsüchten, geprägt von der Romantik und dem Schicksal der Liebe in Zeiten des Krieges und der Unsicherheit.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Meine Wahl“ ist Karoline Marie Luise Brachmann. Brachmann wurde im Jahr 1777 in Rochlitz geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1793 bis 1822 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zu den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 344 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Die Dichterin Karoline Marie Luise Brachmann ist auch die Autorin für Gedichte wie „An die Horen“, „Die Rettung“ und „Fantasie und Gefühl“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Meine Wahl“ weitere 20 Gedichte vor.

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