Der Führer von Karoline Marie Luise Brachmann
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Nieder von des Berges Höhen, |
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Stieg ein Jüngling schön und licht, |
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Hold und freundlich anzusehen, |
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Wie ein Stern durch Wolken bricht. |
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Eine sanfte Fackel glühte |
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Hoch in seiner rechten Hand; |
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Freier ward mir's im Gemüthe, |
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Als er lächelnd vor mir stand. |
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Willst du, sprach er, arme Kleine, |
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Die so einsam still sich hält, |
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Mit mir wandeln bei dem Scheine |
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Sanften Lichtes in der Welt? |
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Wecken in der Menschen Busen |
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Will ich tiefe Sympathie, |
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Und mit heilger Kraft der Musen |
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Die verborgne Harmonie. |
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Gern, o gern, du Guter, Milder, |
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Rief ich, will ich mit dir gehn! |
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Bringst du schöne, ros'ge Bilder |
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Mir von deines Himmels Höhn? |
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Bilder aus beglücktern Sphären, |
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Sprach er, wirst du ahndend sehn; |
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Doch ich will vorher dich lehren |
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Auch des Lebens Reiz verstehn. |
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Diese Fackel wird dir zeigen, |
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Wo der Born der Freude quillt, |
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Wo die Ros' in duft'gen Zweigen |
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Purpurn ihrer Knosp' entschwillt. |
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Deutlich wird vom Blattgeflüster, |
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Dir Musik der Geister wehn; |
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Wird aus Hainen still und düster, |
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Und aus Bächen murmelnd gehn. |
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Selbst hinab in jene Tiefen, |
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In der Gnomen nächtlich Reich |
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Steig ich, wo die Geister schliefen |
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Unter Trümmern kalt und bleich. |
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Daß mein Ruf das Leben zünde, |
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Schlummernd in des Steines Nacht; |
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Daß sich Kraft mit Kraft verbinde, |
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In geheimer Wundermacht. |
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Daß die geistgen Funken blitzen |
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Aus dem lebenden Metall, |
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Und von dunklen Geistersitzen |
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Redet laut der Wiederhall. |
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So im ew'gen Lebensodem |
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Hält die Erd' ein geistig Band, |
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Wo dein Fuß berührt den Boden, |
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Ist der Liebe heilges Land.« |
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Sprach's, und froh mit ihm zu gehen, |
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Zeigt' er mir die sanfte Spur, |
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Lehrte mich den Sinn verstehen |
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Dunkler, heiliger Natur. |
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Und ich sah in glüh'ndem Leben |
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Schwellend rings das All der Welt; |
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Alles war mit Lieb umgeben, |
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Und von sel'gem Licht erhellt. |
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Aber jetzt, bewegt und leise, |
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Senkt' er seiner Fackel Brand. |
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Freundinn, von der Pilger-Reise, |
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Kehr' ich in mein Vaterland. |
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Lebe wohl und pfleg im Innern |
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Treu der Wahrheit leichten Sinn |
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Und mit seligem Erinnern |
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Gieb der heilgen Macht dich hin. |
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Oft mit stiller frommer Liebe |
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Denkst du meiner noch gewiß; |
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Doch daß dir mein Nam' auch bliebe, |
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Wiß, ich heiße Novalis. |
Details zum Gedicht „Der Führer“
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1777 - 1822
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Führer“ wurde von Karoline Marie Luise Brachmann verfasst, die von 1777 bis 1822 lebte. Daher kann das Gedicht der Epoche der Romantik zugeordnet werden, einer Periode, die durch das Streben nach Individualität, Intuition und Emotion gekennzeichnet ist.
Der erste Eindruck des Gedichts legt eine mystisch inspirierte und romantische Atmosphäre nahe, geprägt durch eine ausdrucksstarke und bildhafte Sprache sowie die prägnante Interaktion zwischen dem lyrischen Ich und einem jungen Mann – dem Führer.
Im Hinblick auf den Inhalt des Gedichts erscheint ein junger Mann, hoch oben vom Berg herabkommend, der dem lyrischen Ich – einer offenbar einsamen Person – den Weg weist. Der junge Mann wird als schönes, fast himmlisches Wesen dargestellt und hält eine Fackel in der Hand, ein Symbol für Erleuchtung und Führung. Gemeinsam mit diesem Führer entdeckt das lyrische Ich die Schönheit und das Wunder der Welt und des Universums. Doch nach ihrer gemeinsamen Reise kehrt der junge Mann in sein „Vaterland“ zurück und überlässt das lyrische Ich den errungenen Erkenntnissen. Bevor er geht, offenbart er, dass er Novalis ist, ein bekannter Vertreter der Romantik.
Die Verwendung von Vers und Reim in diesem Gedicht verleiht der Erzählung einen rhythmischen Fluss, der den Leser durch die intime Interaktion zwischen dem lyrischen Ich und Novalis führt. Die Sprache des Gedichts ist stark bildlich und metaphorisch, was dazu beiträgt, ein Gefühl von Mystik und Romantik zu vermitteln und den Leser in die Welt des lyrischen Ichs zu ziehen.
Zusammengefasst illustriert das Gedicht „Der Führer“ eine Erleuchtungsreise, die das lyrische Ich unter der Führung von Novalis durchläuft. Es verkörpert das Streben nach Wahrheit, das Verständnis für die Wunder der Natur und die Erkenntnis der inneren Werte und Emotionen, welche alle zentrale Themen der Romantik sind. Das lyrische Ich wird durch diese Reise geführt und erlangt eine tiefere Wahrnehmung und Wertschätzung des eigenen Selbst und der umgebenden Welt.
Weitere Informationen
Karoline Marie Luise Brachmann ist die Autorin des Gedichtes „Der Führer“. 1777 wurde Brachmann in Rochlitz geboren. In der Zeit von 1793 bis 1822 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zu den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier zu. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 350 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 68 Versen mit insgesamt 17 Strophen. Die Gedichte „Treue Liebe“, „Meine Wahl“ und „Columbus“ sind weitere Werke der Autorin Karoline Marie Luise Brachmann. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Der Führer“ weitere 20 Gedichte vor.
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Zum Autor Karoline Marie Luise Brachmann sind auf abi-pur.de 20 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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