Terzinen von Karoline Marie Luise Brachmann

Was willst du doch mit fruchtlos heft'gen Tränen
Bei andern, wenn gekränkt das Herz dir schlägt?
Der Muse klag es! Heb zu ihr dein Sehnen!
Sie ist's, die ewig dich im Herzen trägt.
Wenn jene staunend nur in's Aug dir sehen,
Selbst nicht verstehn, was dich so tief bewegt,
Weil nie sie ganz dein tiefes Herz verstehen
Und bald es lästig fühlen, Trost zu weihn,
Führt diese liebend dich zu ihren Höhen,
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Zu ihrem lichten, glanzumstrählten Hain.
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»Mein armes Kind«, so sagt sie, »hat das Leben
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Dich hart verletzt? Ich will dir Trost verleihn!
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Hab ich dir nicht den weichen Sinn gegeben?
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Der Seele tiefes, glühendes Gefühl,
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Daß leicht verletzt die zarten Saiten beben
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Wie an dem gottverliehnen Saitenspiel?
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Tief trinkt und ganz den Schmerzenkelch der Leiden,
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Wem der Empfindung Kraft vom Himmel fiel;
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Doch auch empfänglich für des Himmels Freuden
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Macht diese Kraft, die schmerzlich leicht erbebt;
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Am Licht des Äthers darf der Blick sich weiden,
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Wenn wieder stark der edle Geist sich hebt.
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In holder Kindlichkeit auf Lenzeshügeln
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Bleibt, wen des Liedes Jugendkraft belebt!
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Am Quell, in dem sich Himmelsbilder spiegeln,
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Dort spiel! - Und winkt' auch einst des Grabes Flor,
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Kind des Gesangs! Noch auf Begeistrungsflügeln,
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Schwingst du dich dann zum ew'gen Licht empor!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Terzinen“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
207
Entstehungsjahr
1777 - 1822
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Terzinen“ wurde von der deutschen Schriftstellerin Karoline Marie Luise Brachmann verfasst, die vom 9. Februar 1777 bis zum 17. September 1822 lebte. Sie gilt als eine der ersten bedeutsamen deutschsprachigen Dichterinnen und gehört somit der Epoche der Romantik an, die von etwa 1795 bis 1835 andauerte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch und introspektiv, mit einem intensiven Fokus auf Emotionen, Selbstreflexion und die Rolle der Kunst, insbesondere der Poesie, als Mittel zur Selbstausdruck und Heilung.

Im Inhalt richtet das lyrische Ich – offenbar eine Person mit einem tiefen emotionalen Leiden – sich an eine andere Person, die mit ihren Tränen nicht umgehen kann. Anstatt sich an andere zu wenden, empfiehlt das lyrische Ich der gekränkten Person, sich an die Muse – ein Symbol für Inspiration, Kunst und Poesie – zu wenden. Die Muse ist fähig, die ganze Tiefe der Emotionen zu verstehen, die andere nicht begreifen können, und kann Trost und Heilung durch das künstlerische oder poetische Schaffen anbieten.

Die Form des Gedichts ist eine Terzine, eine Strophenform von drei Zeilen, die hier allerdings in einer erweiterten Form vorliegt. Es setzt sich insgesamt aus 28 Versen zusammen, die ein komplexes Netz von Gedanken und Gefühlen strukturieren. Die Sprache ist intensiv und emotional, oft metaphorisch, mit einem starken Fokus auf bildhafte Darstellungen. Besonders fallen die Naturmetaphern auf, mit welchen die Poesie mit einem lichten Hain, dem Äther und Himmelsbildern verknüpft wird.

Die Terzine ist eine komplexe Form, die meisterhaft gehandhabt wird, um die tiefen emotionalen Inhalte des Gedichts zu tragen. Brachmanns Sprache lässt ihre Kontrolle über die dichterische Form erkennen und verbindet dabei das Intuitiv-Emotionale mit dem Rational-Strukturierten. Alles in allem ist das Gedicht ein tief bewegender Aufruf zur Heilung durch die Kunst, indem es sowohl die Zerbrechlichkeit der menschlichen Emotionen als auch die stärkende Kraft der Poesie betont.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Terzinen“ ist Karoline Marie Luise Brachmann. Brachmann wurde im Jahr 1777 in Rochlitz geboren. In der Zeit von 1793 bis 1822 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 207 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 28 Versen. Die Gedichte „Meine Wahl“, „Columbus“ und „Das Hirtenmädchen“ sind weitere Werke der Autorin Karoline Marie Luise Brachmann. Zur Autorin des Gedichtes „Terzinen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 20 Gedichte veröffentlicht.

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