Der Tannhäuser von Heinrich Heine

Eine Legende
Geschrieben 1836
 
1
 
Ihr guten Christen, laßt euch nicht
Von Satans List umgarnen!
Ich sing euch das Tannhäuserlied,
Um eure Seelen zu warnen.
 
Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut,
Wollt Lieb' und Lust gewinnen,
10 
Da zog er in den Venusberg,
11 
Blieb sieben Jahre drinnen.
 
12 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
13 
Leb wohl, mein holdes Leben!
14 
Ich will nicht länger bleiben bei dir,
15 
Du sollst mir Urlaub geben.«
 
16 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
17 
Hast heut mich nicht geküsset;
18 
Küß mich geschwind, und sage mir:
19 
Was du bei mir vermisset?
 
20 
Habe ich nicht den süßesten Wein
21 
Tagtäglich dir kredenzet?
22 
Und hab ich nicht mit Rosen dir
23 
Tagtäglich das Haupt bekränzet?«
 
24 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
25 
Von süßem Wein und Küssen
26 
Ist meine Seele geworden krank;
27 
Ich schmachte nach Bitternissen.
 
28 
Wir haben zuviel gescherzt und gelacht,
29 
Ich sehne mich nach Tränen,
30 
Und statt mit Rosen möcht ich mein Haupt
31 
Mit spitzigen Dornen krönen.«
 
32 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
33 
Du willst dich mit mir zanken;
34 
Du hast geschworen vieltausendmal,
35 
Niemals von mir zu wanken.
 
36 
Komm, laß uns in die Kammer gehn,
37 
Zu spielen der heimlichen Minne;
38 
Mein schöner lilienweißer Leib
39 
Erheitert deine Sinne.«
 
40 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
41 
Dein Reiz wird ewig blühen;
42 
Wie viele einst für dich geglüht,
43 
So werden noch viele glühen.
 
44 
Doch denk ich der Götter und Helden, die einst
45 
Sich zärtlich daran geweidet,
46 
Dein schöner lilienweißer Leib,
47 
Er wird mir schier verleidet.
 
48 
Dein schöner lilienweißer Leib
49 
Erfüllt mich fast mit Entsetzen,
50 
Gedenk ich, wie viele werden sich
51 
Noch späterhin dran ergetzen!«
 
52 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
53 
Das sollst du mir nicht sagen,
54 
Ich wollte lieber, du schlügest mich,
55 
Wie du mich oft geschlagen.
 
56 
Ich wollte lieber, du schlügest mich,
57 
Als daß du Beleidigung sprächest,
58 
Und mir, undankbar kalter Christ,
59 
Den Stolz im Herzen brächest.
 
60 
Weil ich dich geliebet gar zu sehr,
61 
Hör ich nun solche Worte
62 
Leb wohl, ich gebe Urlaub dir,
63 
Ich öffne dir selber die Pforte.«
 
64 
2
 
65 
Zu Rom, zu Rom, in der heiligen Stadt,
66 
Da singt es und klingelt und läutet:
67 
Da zieht einher die Prozession,
68 
Der Papst in der Mitte schreitet.
 
69 
Das ist der fromme Papst Urban,
70 
Er trägt die dreifache Krone,
71 
Er trägt ein rotes Purpurgewand,
72 
Die Schleppe tragen Barone.
 
73 
»O heiliger Vater, Papst Urban,
74 
Ich laß dich nicht von der Stelle,
75 
Du hörest zuvor meine Beichte an,
76 
Du rettest mich von der Hölle!«
 
77 
Das Volk, es weicht im Kreis zurück,
78 
Es schweigen die geistlichen Lieder:
79 
Wer ist der Pilger bleich und wüst,
80 
Vor dem Papste kniet er nieder?
 
81 
»O heiliger Vater, Papst Urban,
82 
Du kannst ja binden und lösen,
83 
Errette mich von der Höllenqual
84 
Und von der Macht des Bösen
 
85 
Ich bin der edle Tannhäuser genannt,
86 
Wollt Lieb' und Lust gewinnen,
87 
Da zog ich in den Venusberg,
88 
Blieb sieben Jahre drinnen.
 
89 
Frau Venus ist eine schöne Frau,
90 
Liebreizend und anmutsreiche;
91 
Wie Sonnenschein und Blumenduft
92 
Ist ihre Stimme, die weiche.
 
93 
Wie der Schmetterling flattert um eine Blum',
94 
Am zarten Kelch zu nippen,
95 
So flattert meine Seele stets
96 
Um ihre Rosenlippen.
 
97 
Ihr edles Gesicht umringeln wild
98 
Die blühend schwarzen Locken;
99 
Schaun dich die großen Augen an,
100 
Wird dir der Atem stocken.
 
101 
Schaun dich die großen Augen an,
102 
So bist du wie angekettet;
103 
Ich habe nur mit großer Not
104 
Mich aus dem Berg gerettet.
 
105 
Ich hab mich gerettet aus dem Berg,
106 
Doch stets verfolgen die Blicke
107 
Der schönen Frau mich überall,
108 
Sie winken: komm zurücke!
 
109 
Ein armes Gespenst bin ich am Tag,
110 
Des Nachts mein Leben erwachet,
111 
Dann träum ich von meiner schönen Frau,
112 
Sie sitzt bei mir und lachet.
 
113 
Sie lacht so gesund, so glücklich, so toll,
114 
Und mit so weißen Zähnen!
115 
Wenn ich an dieses Lachen denk,
116 
So weine ich plötzliche Tränen.
 
117 
Ich liebe sie mit Allgewalt,
118 
Nichts kann die Liebe hemmen!
119 
Das ist wie ein wilder Wasserfall,
120 
Du kannst seine Fluten nicht dämmen!
 
121 
Er springt von Klippe zu Klippe herab,
122 
Mit lautem Tosen und Schäumen,
123 
Und bräch er tausendmal den Hals,
124 
Er wird im Laufe nicht säumen.
 
125 
Wenn ich den ganzen Himmel besäß,
126 
Frau Venus schenkt' ich ihn gerne;
127 
Ich gäb ihr die Sonne, ich gäb ihr den Mond,
128 
Ich gäbe ihr sämtliche Sterne.
 
129 
Ich liebe sie mit Allgewalt,
130 
Mit Flammen, die mich verzehren
131 
Ist das der Hölle Feuer schon,
132 
Die Gluten, die ewig währen?
 
133 
O heiliger Vater, Papst Urban,
134 
Du kannst ja binden und lösen!
135 
Errette mich von der Höllenqual
136 
Und von der Macht des Bösen.«
 
137 
Der Papst hub jammernd die Händ' empor,
138 
Hub jammernd an zu sprechen:
139 
»Tannhäuser, unglücksel'ger Mann,
140 
Der Zauber ist nicht zu brechen.
 
141 
Der Teufel, den man Venus nennt,
142 
Er ist der schlimmste von allen;
143 
Erretten kann ich dich nimmermehr
144 
Aus seinen schönen Krallen.
 
145 
Mit deiner Seele mußt du jetzt
146 
Des Fleisches Lust bezahlen,
147 
Du bist verworfen, du bist verdammt
148 
Zu ewigen Höllenqualen.«
 
149 
3
 
150 
Der Ritter Tannhäuser, er wandelt so rasch,
151 
Die Füße, die wurden ihm wunde.
152 
Er kam zurück in den Venusberg
153 
Wohl um die Mitternachtstunde.
 
154 
Frau Venus erwachte aus dem Schlaf,
155 
Ist schnell aus dem Bette gesprungen;
156 
Sie hat mit ihrem weißen Arm
157 
Den geliebten Mann umschlungen.
 
158 
Aus ihrer Nase rann das Blut,
159 
Den Augen die Tränen entflossen;
160 
Sie hat mit Tränen und Blut das Gesicht
161 
Des geliebten Mannes begossen.
162 
Der Tannhäuser
 
163 
Eine Legende
164 
Geschrieben 1836
 
165 
1
 
166 
Ihr guten Christen, laßt euch nicht
167 
Von Satans List umgarnen!
168 
Ich sing euch das Tannhäuserlied,
169 
Um eure Seelen zu warnen.
 
170 
Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut,
171 
Wollt Lieb' und Lust gewinnen,
172 
Da zog er in den Venusberg,
173 
Blieb sieben Jahre drinnen.
 
174 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
175 
Leb wohl, mein holdes Leben!
176 
Ich will nicht länger bleiben bei dir,
177 
Du sollst mir Urlaub geben.«
 
178 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
179 
Hast heut mich nicht geküsset;
180 
Küß mich geschwind, und sage mir:
181 
Was du bei mir vermisset?
 
182 
Habe ich nicht den süßesten Wein
183 
Tagtäglich dir kredenzet?
184 
Und hab ich nicht mit Rosen dir
185 
Tagtäglich das Haupt bekränzet?«
 
186 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
187 
Von süßem Wein und Küssen
188 
Ist meine Seele geworden krank;
189 
Ich schmachte nach Bitternissen.
 
190 
Wir haben zuviel gescherzt und gelacht,
191 
Ich sehne mich nach Tränen,
192 
Und statt mit Rosen möcht ich mein Haupt
193 
Mit spitzigen Dornen krönen.«
 
194 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
195 
Du willst dich mit mir zanken;
196 
Du hast geschworen vieltausendmal,
197 
Niemals von mir zu wanken.
 
198 
Komm, laß uns in die Kammer gehn,
199 
Zu spielen der heimlichen Minne;
200 
Mein schöner lilienweißer Leib
201 
Erheitert deine Sinne.«
 
202 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
203 
Dein Reiz wird ewig blühen;
204 
Wie viele einst für dich geglüht,
205 
So werden noch viele glühen.
 
206 
Doch denk ich der Götter und Helden, die einst
207 
Sich zärtlich daran geweidet,
208 
Dein schöner lilienweißer Leib,
209 
Er wird mir schier verleidet.
 
210 
Dein schöner lilienweißer Leib
211 
Erfüllt mich fast mit Entsetzen,
212 
Gedenk ich, wie viele werden sich
213 
Noch späterhin dran ergetzen!«
 
214 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
215 
Das sollst du mir nicht sagen,
216 
Ich wollte lieber, du schlügest mich,
217 
Wie du mich oft geschlagen.
 
218 
Ich wollte lieber, du schlügest mich,
219 
Als daß du Beleidigung sprächest,
220 
Und mir, undankbar kalter Christ,
221 
Den Stolz im Herzen brächest.
 
222 
Weil ich dich geliebet gar zu sehr,
223 
Hör ich nun solche Worte
224 
Leb wohl, ich gebe Urlaub dir,
225 
Ich öffne dir selber die Pforte.«
 
226 
2
 
227 
Zu Rom, zu Rom, in der heiligen Stadt,
228 
Da singt es und klingelt und läutet:
229 
Da zieht einher die Prozession,
230 
Der Papst in der Mitte schreitet.
 
231 
Das ist der fromme Papst Urban,
232 
Er trägt die dreifache Krone,
233 
Er trägt ein rotes Purpurgewand,
234 
Die Schleppe tragen Barone.
 
235 
»O heiliger Vater, Papst Urban,
236 
Ich laß dich nicht von der Stelle,
237 
Du hörest zuvor meine Beichte an,
238 
Du rettest mich von der Hölle!«
 
239 
Das Volk, es weicht im Kreis zurück,
240 
Es schweigen die geistlichen Lieder:
241 
Wer ist der Pilger bleich und wüst,
242 
Vor dem Papste kniet er nieder?
 
243 
»O heiliger Vater, Papst Urban,
244 
Du kannst ja binden und lösen,
245 
Errette mich von der Höllenqual
246 
Und von der Macht des Bösen
 
247 
Ich bin der edle Tannhäuser genannt,
248 
Wollt Lieb' und Lust gewinnen,
249 
Da zog ich in den Venusberg,
250 
Blieb sieben Jahre drinnen.
 
251 
Frau Venus ist eine schöne Frau,
252 
Liebreizend und anmutsreiche;
253 
Wie Sonnenschein und Blumenduft
254 
Ist ihre Stimme, die weiche.
 
255 
Wie der Schmetterling flattert um eine Blum',
256 
Am zarten Kelch zu nippen,
257 
So flattert meine Seele stets
258 
Um ihre Rosenlippen.
 
259 
Ihr edles Gesicht umringeln wild
260 
Die blühend schwarzen Locken;
261 
Schaun dich die großen Augen an,
262 
Wird dir der Atem stocken.
 
263 
Schaun dich die großen Augen an,
264 
So bist du wie angekettet;
265 
Ich habe nur mit großer Not
266 
Mich aus dem Berg gerettet.
 
267 
Ich hab mich gerettet aus dem Berg,
268 
Doch stets verfolgen die Blicke
269 
Der schönen Frau mich überall,
270 
Sie winken: komm zurücke!
 
271 
Ein armes Gespenst bin ich am Tag,
272 
Des Nachts mein Leben erwachet,
273 
Dann träum ich von meiner schönen Frau,
274 
Sie sitzt bei mir und lachet.
 
275 
Sie lacht so gesund, so glücklich, so toll,
276 
Und mit so weißen Zähnen!
277 
Wenn ich an dieses Lachen denk,
278 
So weine ich plötzliche Tränen.
 
279 
Ich liebe sie mit Allgewalt,
280 
Nichts kann die Liebe hemmen!
281 
Das ist wie ein wilder Wasserfall,
282 
Du kannst seine Fluten nicht dämmen!
 
283 
Er springt von Klippe zu Klippe herab,
284 
Mit lautem Tosen und Schäumen,
285 
Und bräch er tausendmal den Hals,
286 
Er wird im Laufe nicht säumen.
 
287 
Wenn ich den ganzen Himmel besäß,
288 
Frau Venus schenkt' ich ihn gerne;
289 
Ich gäb ihr die Sonne, ich gäb ihr den Mond,
290 
Ich gäbe ihr sämtliche Sterne.
 
291 
Ich liebe sie mit Allgewalt,
292 
Mit Flammen, die mich verzehren
293 
Ist das der Hölle Feuer schon,
294 
Die Gluten, die ewig währen?
 
295 
O heiliger Vater, Papst Urban,
296 
Du kannst ja binden und lösen!
297 
Errette mich von der Höllenqual
298 
Und von der Macht des Bösen.«
 
299 
Der Papst hub jammernd die Händ' empor,
300 
Hub jammernd an zu sprechen:
301 
»Tannhäuser, unglücksel'ger Mann,
302 
Der Zauber ist nicht zu brechen.
 
303 
Der Teufel, den man Venus nennt,
304 
Er ist der schlimmste von allen;
305 
Erretten kann ich dich nimmermehr
306 
Aus seinen schönen Krallen.
 
307 
Mit deiner Seele mußt du jetzt
308 
Des Fleisches Lust bezahlen,
309 
Du bist verworfen, du bist verdammt
310 
Zu ewigen Höllenqualen.«
 
311 
3
 
312 
Der Ritter Tannhäuser, er wandelt so rasch,
313 
Die Füße, die wurden ihm wunde.
314 
Er kam zurück in den Venusberg
315 
Wohl um die Mitternachtstunde.
 
316 
Frau Venus erwachte aus dem Schlaf,
317 
Ist schnell aus dem Bette gesprungen;
318 
Sie hat mit ihrem weißen Arm
319 
Den geliebten Mann umschlungen.
 
320 
Aus ihrer Nase rann das Blut,
321 
Den Augen die Tränen entflossen;
322 
Sie hat mit Tränen und Blut das Gesicht
323 
Des geliebten Mannes begossen.
 
324 
Der Ritter legte sich ins Bett,
325 
Er hat kein Wort gesprochen.
326 
Frau Venus in die Küche ging,
327 
Um ihm eine Suppe zu kochen.
 
328 
Sie gab ihm Suppe, sie gab ihm Brot,
329 
Sie wusch seine wunden Füße,
330 
Sie kämmte ihm das struppige Haar,
331 
Und lachte dabei so süße.
 
332 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
333 
Bist lange ausgeblieben,
334 
Sag an, in welchen Landen du dich
335 
So lange herumgetrieben?«
 
336 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
337 
Ich hab in Welschland verweilet;
338 
Ich hatte Geschäfte in Rom und bin
339 
Schnell wieder hierher geeilet.
 
340 
Auf sieben Hügeln ist Rom gebaut,
341 
Die Tiber tut dorten fließen;
342 
Auch hab ich in Rom den Papst gesehn,
343 
Der Papst, er läßt dich grüßen.
 
344 
Auf meinem Rückweg sah ich Florenz,
345 
Bin auch durch Mailand gekommen,
346 
Und bin alsdann mit raschem Mut
347 
Die Schweiz hinaufgeklommen.
 
348 
Und als ich über die Alpen zog,
349 
Da fing es an zu schneien,
350 
Die blauen Seen, die lachten mich an,
351 
Die Adler krächzen und schreien.
 
352 
Und als ich auf dem Sankt Gotthard stand,
353 
Da hört ich Deutschland schnarchen;
354 
Es schlief da unten in sanfter Hut
355 
Von sechsunddreißig Monarchen.
 
356 
In Schwaben besah ich die Dichterschul',
357 
Gar liebe Geschöpfchen und Tröpfchen!
358 
Auf kleinen Kackstühlchen saßen sie dort,
359 
Fallhütchen auf den Köpfchen.
 
360 
Zu Frankfurt kam ich am Schabbes an,
361 
Und aß dort Schalet und Klöße;
362 
Ihr habt die beste Religion,
363 
Auch lieb ich das Gänsegekröse.
 
364 
In Dresden sah ich einen Hund,
365 
Der einst gehört zu den Bessern,
366 
Doch fallen ihm jetzt die Zähne aus,
367 
Er kann nur bellen und wässern.
 
368 
Zu Weimar, dem Musenwitwensitz,
369 
Da hört ich viel Klagen erheben,
370 
Man weinte und jammerte: Goethe sei tot,
371 
Und Eckermann sei noch am Leben!
 
372 
Zu Potsdam vernahm ich ein lautes Geschrei.
373 
?Was gibt es?? rief ich verwundert.
374 
?Das ist der Gans in Berlin, der liest
375 
Dort über das letzte Jahrhundert.?
 
376 
Zu Göttingen blüht die Wissenschaft,
377 
Doch bringt sie keine Früchte.
378 
Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht,
379 
Sah nirgendswo ein Lichte.
 
380 
Zu Celle im Zuchthaus sah ich nur
381 
Hannoveraner - O Deutsche!
382 
Uns fehlt ein Nationalzuchthaus
383 
Und eine gemeinsame Peitsche!
 
384 
Zu Hamburg frug ich: warum so sehr
385 
Die Straßen stinken täten?
386 
Doch Juden und Christen versicherten mir,
387 
Das käme von den Fleeten.
 
388 
Zu Hamburg, in der guten Stadt,
389 
Wohnt mancher schlechte Geselle;
390 
Und als ich auf die Börse kam,
391 
Ich glaubte, ich wär noch in Celle.
 
392 
Zu Hamburg sah ich Altona,
393 
Ist auch eine schöne Gegend;
394 
Ein andermal erzähl ich dir,
395 
Was mir alldort begegent.«
396 
Der Ritter legte sich ins Bett,
397 
Er hat kein Wort gesprochen.
398 
Frau Venus in die Küche ging,
399 
Um ihm eine Suppe zu kochen.
 
400 
Sie gab ihm Suppe, sie gab ihm Brot,
401 
Sie wusch seine wunden Füße,
402 
Sie kämmte ihm das struppige Haar,
403 
Und lachte dabei so süße.
 
404 
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
405 
Bist lange ausgeblieben,
406 
Sag an, in welchen Landen du dich
407 
So lange herumgetrieben?«
 
408 
»Frau Venus, meine schöne Frau,
409 
Ich hab in Welschland verweilet;
410 
Ich hatte Geschäfte in Rom und bin
411 
Schnell wieder hierher geeilet.
 
412 
Auf sieben Hügeln ist Rom gebaut,
413 
Die Tiber tut dorten fließen;
414 
Auch hab ich in Rom den Papst gesehn,
415 
Der Papst, er läßt dich grüßen.
 
416 
Auf meinem Rückweg sah ich Florenz,
417 
Bin auch durch Mailand gekommen,
418 
Und bin alsdann mit raschem Mut
419 
Die Schweiz hinaufgeklommen.
 
420 
Und als ich über die Alpen zog,
421 
Da fing es an zu schneien,
422 
Die blauen Seen, die lachten mich an,
423 
Die Adler krächzen und schreien.
 
424 
Und als ich auf dem Sankt Gotthard stand,
425 
Da hört ich Deutschland schnarchen;
426 
Es schlief da unten in sanfter Hut
427 
Von sechsunddreißig Monarchen.
 
428 
In Schwaben besah ich die Dichterschul',
429 
Gar liebe Geschöpfchen und Tröpfchen!
430 
Auf kleinen Kackstühlchen saßen sie dort,
431 
Fallhütchen auf den Köpfchen.
 
432 
Zu Frankfurt kam ich am Schabbes an,
433 
Und aß dort Schalet und Klöße;
434 
Ihr habt die beste Religion,
435 
Auch lieb ich das Gänsegekröse.
 
436 
In Dresden sah ich einen Hund,
437 
Der einst gehört zu den Bessern,
438 
Doch fallen ihm jetzt die Zähne aus,
439 
Er kann nur bellen und wässern.
 
440 
Zu Weimar, dem Musenwitwensitz,
441 
Da hört ich viel Klagen erheben,
442 
Man weinte und jammerte: Goethe sei tot,
443 
Und Eckermann sei noch am Leben!
 
444 
Zu Potsdam vernahm ich ein lautes Geschrei.
445 
?Was gibt es?? rief ich verwundert.
446 
?Das ist der Gans in Berlin, der liest
447 
Dort über das letzte Jahrhundert.?
 
448 
Zu Göttingen blüht die Wissenschaft,
449 
Doch bringt sie keine Früchte.
450 
Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht,
451 
Sah nirgendswo ein Lichte.
 
452 
Zu Celle im Zuchthaus sah ich nur
453 
Hannoveraner - O Deutsche!
454 
Uns fehlt ein Nationalzuchthaus
455 
Und eine gemeinsame Peitsche!
 
456 
Zu Hamburg frug ich: warum so sehr
457 
Die Straßen stinken täten?
458 
Doch Juden und Christen versicherten mir,
459 
Das käme von den Fleeten.
 
460 
Zu Hamburg, in der guten Stadt,
461 
Wohnt mancher schlechte Geselle;
462 
Und als ich auf die Börse kam,
463 
Ich glaubte, ich wär noch in Celle.
 
464 
Zu Hamburg sah ich Altona,
465 
Ist auch eine schöne Gegend;
466 
Ein andermal erzähl ich dir,
467 
Was mir alldort begegent.«

Details zum Gedicht „Der Tannhäuser“

Anzahl Strophen
121
Anzahl Verse
467
Anzahl Wörter
2498
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Der Tannhäuser“. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1813 und 1856. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 467 Versen mit insgesamt 121 Strophen und umfasst dabei 2498 Worte. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Alte Rose“, „Altes Lied“ und „Am Golfe von Biskaya“. Zum Autor des Gedichtes „Der Tannhäuser“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.

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