Betäubung von Erich Mühsam
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Ist’s nicht, als wär ich längst vorbei |
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am Ziel, das meine Augen maßen? |
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als wären neue Strecken frei? |
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als schritt mein Fuß auf andern Straßen? |
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Zwar dünkt dies alles mir vertraut: |
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die Bäume und am Weg der Graben; |
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doch weiß ich nicht, ob ich’s geschaut, |
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ob Träume mir geweissagt haben. |
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Der Kirchturm lockt und ängstigt mich, |
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und neben mir die Frauenstimme |
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klingt gleich bekannt und wunderlich. |
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Sind sie das Gute oder Schlimme? |
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Was ist hier Wahrheit? Was ist Schein? |
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In Furcht und Hoffnung suchen viele … |
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Die Welt muß sehr verändert sein, – |
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und wir sind weit von unserm Ziele. |
Details zum Gedicht „Betäubung“
Erich Mühsam
1
16
100
1920
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das behandelt Gedicht stammt von Erich Mühsam, einem deutschen Schriftsteller und Anarchisten, der von 1878 bis 1934 lebte. Das Gedicht kann somit in eine Zeitspanne von der späten Kaiserzeit über die Weimarer Republik bis hin zum frühen Nationalsozialismus eingeordnet werden.
Beim ersten Lesen des Gedichts wird eine Atmosphäre von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit evident. Es lässt sich eine poetische Auseinandersetzung mit Themen wie Identität, Gewissheit und Lebenszielen erkennen.
Das Gedicht erzählt in einfacher Sprache von der Wahrnehmung des lyrischen Ichs seiner Umgebung und seiner Selbst. Es stellt Fragen darüber auf, ob es sich auf dem richtigen Weg befindet oder ob es Ziele verfehlt hat. Es hinterfragt, was real und was Illusion ist, dabei zeigt es Ambivalenzen gegenüber gesellschaftlichen Leitbildern oder Stimmen (wie etwa der Kirchturm und die Frauenstimme). Es wird ein innerer Konflikt sichtbar, der zwischen Hoffnung und Angst, zwischen Tradition und Veränderung schwankt.
Die Form des Gedichts ist relativ traditionell, jedoch beinhaltet es doch viele Fragen und Unklarheiten. Es besteht aus vierzeiligen Strophen, die jeweils einen quartären Rhythmus auffassen. Die Sprache ist einfach und klar, jedoch stark metaphorisch, etwa wenn es um das Erkennen von ‚Wahrheit‘ oder ‚Schein‘ geht. Der häufige Gebrauch von konjunktiven Formulierungen betont die Unsicherheit und Möglichkeitsform des lyrischen Ichs.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine tiefe Reflexion über die Unsicherheiten des menschlichen Lebens und seinen Platz in einer sich verändernden Gesellschaft darstellt. Es ist ein Ausdruck von Orientierungslosigkeit, aber auch von der menschlichen Neugier und dem Wunsch nach Erkenntnis. Es betont die bleibende Unklarheit über die Wahrheit der menschlichen Existenz, die aus der unaufhörlichen Bemühung des Menschen resultiert, die Welt zu verstehen und seinen Weg darin zu finden.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Betäubung“ des Autors Erich Mühsam. Der Autor Erich Mühsam wurde 1878 in Berlin geboren. 1920 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 100 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 16 Versen. Weitere Werke des Dichters Erich Mühsam sind „Das Volk der Denker“, „Das Neue Deutschland“ und „Der Anarchisterich“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Betäubung“ weitere 57 Gedichte vor.
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- Das Neue Deutschland
- Der Anarchisterich
Zum Autor Erich Mühsam sind auf abi-pur.de 57 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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