An die Soldaten von Erich Mühsam

Sauft, Soldaten!
daß das Blut
heißer durch die Adern rinnt!
Saufen macht zum Sterben Mut.
Sauft! Die Zeit der Heldentaten
fordert saftige Teufelsbraten.
Sauft! Der heilige Krieg beginnt.
 
Sauft und betet!
Gott erhört
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liebvoll der Gläubigen Ruf.
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Wünscht, daß er den Feind zerstört!
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Wenn ihr über Leichen tretet,
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dankt dem Herrn, zu dem ihr flehtet,
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daß er euch zu Mördern schuf.
 
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Feindeskissen
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bettet weich.
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Wo des Feindes Witwe weint,
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ist des Siegers Himmelreich.
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Fremde Weiber – Leckerbissen –
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Schnaps, Gebet und kein Gewissen –
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Krieg ist Krieg und Feind ist Feind.
 
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Tapfrer Krieger,
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der vergißt,
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daß ein Herz im Leibe schlägt,
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daß er Mensch gewesen ist,
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eh er Kämpfer war und Sieger.
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Edler Held, der gleich dem Tiger
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blutige Beute heimwärts trägt.
 
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Heldenscharen
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kehrt ihr heim,
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fielt ihr nicht von Feindeshand.
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In der Brust den Todeskeim,
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Krüppel mit gebleichten Haaren,
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sucht, wo eure Stätten waren
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im zerwühlten Vaterland.
 
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Qual und Lasten
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sind der Dank.
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Weib und Kind in bittrer Not.
39 
Euer Heldentum versank.
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Darben lernt ihr nun und fasten.
41 
Bettelnd mit dem Leierkasten
42 
winselt ihr ums Gnadenbrot.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „An die Soldaten“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
174
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An die Soldaten“ stammt von Erich Mühsam, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1878 bis 1934 lebte. Mühsam war bekannt für seine anarchistisch-sozialistische Weltanschauung und seine Werke sind daher oft politisch und gesellschaftskritisch geprägt. „An die Soldaten“ lässt sich dabei zeitlich in die Phase nach dem Ersten Weltkrieg einordnen, als Deutschland von großen gesellschaftlichen Verwerfungen und politischen Kämpfen geprägt war.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht satirisch und provokativ. Es persifliert das Bild des Soldaten als Held und Krieger und zeigt auf eine drastische und zynische Weise die Schattenseiten des Krieges auf.

Inhaltlich richtet sich das Gedicht direkt an die Soldaten und spricht diese in einer befehlenden und teilweise sogar verhöhnenden Sprache an. Das lyrische Ich fordert die Soldaten dazu auf, zu saufen, zu beten und den Krieg zu beginnen. Es spricht von der Brutalität und Unmenschlichkeit des Krieges und zeigt dessen Folgen auf: Tod, Leid und Elend. Dabei scheint das lyrische Ich den Soldaten ihre Verantwortung für das Kriegsgeschehen vorzuhalten und prangert gleichzeitig die Sinnlosigkeit und das Leiden des Krieges an.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen zu je sieben Versen. Die Sprache ist einfach und direkt, teilweise vulgär und drastisch. Die immer wiederkehrenden Imperative „Sauft“, „betet“, „tretet“ unterstreichen die befehlende Stimme des lyrischen Ichs und seine Kritik an den Soldaten und den Zuständen des Krieges. Gleichzeitig erzeugen die drastischen Beschreibungen und der zynische Ton eine starke Emotionalität und machen die Ablehnung des Krieges und die Anklage gegen die Soldaten eindringlich und spürbar.

Im Ganzen gesehen, handelt es sich bei „An die Soldaten“ um ein scharfes und provokantes anti-militaristisches Gedicht, das den Krieg und seine brutalen Auswirkungen anklagt und die Soldaten als Mitverantwortliche für diese Zustände darstellt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Soldaten“ des Autors Erich Mühsam. Der Autor Erich Mühsam wurde 1878 in Berlin geboren. 1920 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 174 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Der Dichter Erich Mühsam ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Anarchisterich“, „Der Mahner“ und „Der Revoluzzer“. Zum Autor des Gedichtes „An die Soldaten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 57 Gedichte vor.

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Das Video mit dem Titel „Erich Mühsam An die Soldaten (1912)“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.

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