Nis Randers von Otto Ernst

Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd
Ein Schrei durch die Brandung!
 
Und brennt der Himmel, so sieht mans gut.
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sichs der Abgrund.
 
Nis Randers lugt - und ohne Hast
Spricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen."
 
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Da faßt ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein:
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Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
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Ich wills, deine Mutter!
 
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Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
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Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
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Mein Uwe, mein Uwe!"
 
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Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
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Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
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"Und seine Mutter?"
 
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Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
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Hohes, hartes Friesengewächs;
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Schon sausen die Ruder.
 
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Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
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Nun muß es zerschmettern ...! Nein, es blieb ganz ...!
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Wie lange? Wie lange?
 
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Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
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Die menschenfressenden Rosse daher;
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Sie schnauben und schäumen.
 
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Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
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Eins auf den Nacken des andern springt
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Mit stampfenden Hufen!
 
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Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
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Was da? - Ein Boot, das landwärts hält
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Sie sind es! Sie kommen!
 
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Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt...
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Still - ruft da nicht einer? - Er schreits durch die Hand:
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"Sagt Mutter, 's ist Uwe!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Nis Randers“

Autor
Otto Ernst
Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
228
Entstehungsjahr
1862 - 1926
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nis Randers“ wurde geschrieben von Otto Ernst, einem deutschen Schriftsteller und Dichter des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Ernst ist für seine balladesken Erzählungen bekannt, die oft menschliche Tapferkeit inmitten von Naturkatastrophen oder Unfällen thematisieren.

Bei der ersten Lektüre fällt die dramatische, lebendige Darstellung der opferbereiten Heldentat auf. Das lyrische Ich, Nis Randers, entscheidet sich, trotz Gefahr und gegen den Willen seiner Mutter, einem Mann zu Hilfe zu eilen, der ohnmächtig im Mast eines Schiffswrack hängt.

In einfachen Worten erzählt das Gedicht von einer stürmischen Nacht, in der Nis Randers ein Schiffswrack entdeckt und einen Mann im Mast erkennt. Seine Mutter versucht, ihn zurückzuhalten, aus Angst, ihn zu verlieren, wie sie schon seinen Vater und seinen Bruder Uwe verloren hat. Aber Nis Randers und sechs weitere Männer rudern trotzdem los und schaffen es, den Mann zur retten. Bei der Rückkehr kündigt einer der Männer an, dass der Gerettete Uwe ist, der Bruder von Nis Randers, von dem man annahm, dass er verschollen ist.

Das lyrische Ich, Nis Randers, repräsentiert den traditionellen Helden, der sich selbstlos und unerschrocken in Lebensgefahr begibt, um anderen zu helfen, und dabei das eigene Glück (die Rückkehr des verschollenen Bruders) findet.

Die Form des Gedichts ist strukturiert und rhythmisch, mit regelmäßigen Strophen aus jeweils drei Versen. Die Sprache ist kraftvoll, dramatisch und anschaulich, mit starken Bildern, die die Stärke des Sturms und die tapfere Handlung der Charaktere hervorheben. Eine besondere Rolle im Gedicht spielt die Wiederholung und Variation bestimmter Motive und Ausdrücke, die das Geschehen eindringlicher und spannungsreicher gestalten. Zum Beispiel die wiederkehrende Frage „Wie lange?“ erzeugt ein Gefühl von Dringlichkeit und Bedrohung. Gleichzeitig gibt die kontrastreiche Sprache ein klares Bild von der heftigen und unerbittlichen Naturgewalt sowie den mutigen, unerschrockenen Männern, die dagegen ankämpfen. Insgesamt ist das Gedicht eine dramatische und berührende Auseinandersetzung mit den Themen Mut, Pflicht, Verlust und Wiedervereinigung. Es zeigt, wie Menschen in Zeiten extremer Not zusammenhalten und persönliche Wagnisse eingehen, um anderen zu helfen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nis Randers“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Otto Ernst. Im Jahr 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1878 und 1926. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 228 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Der Dichter Otto Ernst ist auch der Autor für Gedichte wie „An einem leisen Bach“, „Angelika“ und „Auf dem Morgengange“. Zum Autor des Gedichtes „Nis Randers“ haben wir auf abi-pur.de weitere 64 Gedichte veröffentlicht.

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