Hohe Station von Conrad Ferdinand Meyer

Hoch an der Windung des Passes bewohn ich ein niedriges Berghaus
Heut ist vorüber die Post, heut bin ich oben allein.
Lehnend am Fenster belausch ich die Stille des dämmernden Abends,
Rings kein Laut! Nur der Specht hämmert im harzigen Tann.
Leicht aus dem Wald in den Wald hüpft über die Matte das Eichhorn,
Spielend auf offenem Plan; denn es ist Herr im Bezirk.
Jammer! Was hör ich? Ein schrilles Gesurre: »Gemordet ist Garfield!«
»Bismarck zürnt im Gezelt!« - »Väterlich segnet der Papst!«
Schwirrt in der Luft ein Gerücht? Was gewahr ich? Ein schwärzliches Glöcklein!
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Unter dem Fenstergesims bebt der elektrische Draht,
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Der, wie die Schläge des Pulses beseelend den Körper der Menschheit,
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Durch das entlegenste Tal trägt die Gebärde der Zeit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Hohe Station“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
122
Entstehungsjahr
1825 - 1898
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das von uns analysierte Gedicht „Hohe Station“ stammt aus der Feder des Schweizer Dichters Conrad Ferdinand Meyer, der als wichtiger Vertreter des poetischen Realismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht ein Bild von ländlicher Abgeschiedenheit und friedlicher Natur. Die ersten Verse des Gedichts beschreiben die Umgebung eines abgelegenen Berghauses, in welchem der lyrische Sprecher offensichtlich alleine lebt. Es gibt Hinweise auf eine entspannende Einsamkeit, in der der Sprecher hin und her hüpfende Eichhörnchen beobachtet und ruhig die Stille lauscht.

Der Inhalt des Gedichts reflektiert scheinbar eine Sehnsucht nach Ruhe und Abgeschiedenheit, die plötzlich von der brisanten Nachrichtenwelt erschüttert wird. Der Sprecher - möglicherweise eine Figur, die Meyer selbst repräsentiert - wird durch den elektrischen Draht, vermutlich eine Anspielung auf den neu erfundenen Telegraf, aus seiner Ruhe gerissen. Dieser Draht überbringt Schlagzeilen über internationale Geschehnisse: die Ermordung des US-Präsidenten Garfield, Bismarck's Ärger, und die segnende Geste des Papstes.

Formal ist das Gedicht in zwölf Verse ohne erkennbaren Reimschema oder bestimmte metrische Struktur aufgeteilt. Die Sprachbilder und Metaphern sind teils alltäglich (wie das Eichhörnchen), teils ungewöhnlich (wie der Telegrafendraht als Pulsschlag der Menschheit). Damit zeigt Meyer eine charakteristische Mischung aus Alltags- und Hochsprache auf, die das Gedicht zugleich erdverbunden und gehaltvoll erscheinen lässt.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass „Hohe Station“ eine Reflexion über das Spannungsfeld zwischen der Sehnsucht nach Ruhe und Abgeschiedenheit und der unausweichlichen Konfrontation mit der komplexen, globalisierten Welt darstellt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Hohe Station“ des Autors Conrad Ferdinand Meyer. Geboren wurde Meyer im Jahr 1825 in Zürich. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1841 und 1898. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Meyer ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 12 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 122 Worte. Weitere Werke des Dichters Conrad Ferdinand Meyer sind „Der römische Brunnen“, „Die Füße im Feuer“ und „Fülle“. Zum Autor des Gedichtes „Hohe Station“ haben wir auf abi-pur.de weitere 80 Gedichte veröffentlicht.

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