Gespenster von Conrad Ferdinand Meyer

Am Horizonte glomm des Abends Feuer;
Ich stieg, indeß die Purpurglut verblich,
Zum Römerthurm empor und lehnte mich
Randüber auf das dunkelnde Gemäuer –
 
Und sah, wie sich am Hange scheu und scheuer
Die Beerenleserin vorüberschlich.
Das arme Weibchen drückt’ und duckte sich,
Und schlug ein Kreuz: ihr war es nicht geheuer ....
 
Mich flog ein Lächeln an. Im Eppich neben
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Der Brüstung flüstert’s: „Freund, in deinem Leben
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Ist auch ein Ort, wo die Gespenster schweben!
 
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Führt dich Erinn’rung dem zerstörten Ort
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Vorbei, du huschest noch geschwinder fort,
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Als das von Graun gepackte Weibchen dort.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Gespenster“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
95
Entstehungsjahr
1882
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gespenster“ wurde von Conrad Ferdinand Meyer verfasst, einem Schweizer Dichter und Schriftsteller, der im 19. Jahrhundert lebte (1825-1898). Er war ein bekannter Vertreter des Realismus in der deutschsprachigen Literatur.

Beim ersten Lesen erscheint das Gedicht atmosphärisch, es erzeugt ein Bild eines abendlichen Sonnenuntergangs und des verfallenden Römerthurms.

Inhaltlich erzählt das Gedicht eine Begegnung des lyrischen Ichs mit einer Beerenleserin, die sich vor allabendlichen „Gespenstern“ fürchtet. Diese „Gespenster“ interpretiert das lyrische Ich metaphorisch - es handelt sich nicht um tatsächliche Geister, sondern um Erinnerungen und Assoziationen, die mit bestimmten Orten verbunden sind. Das Gedicht führt uns zur Erkenntnis, dass jeder Mensch solche „geheimen“ Orte hat, die geprägt sind von individuellen Erfahrungen und Emotionen - Orte, die man meidet, weil sie unangenehme, vielleicht sogar schmerzliche Erinnerungen wachrufen.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen, wobei die ersten beiden Strophen jeweils vier Verse haben und die letzten beiden Strophen jeweils nur drei Verse. Der Rhythmus und die Reimstruktur verleihen dem Gedicht einen fließenden, liedhaften Charakter.

In Bezug auf die Sprache fällt auf, dass Meyer eine eher formelle, poetische Sprache verwendet. Er zeichnet ein lebendiges Bild der Szene mit Farben („Purpurglut“), Bewegungen („stieg empor“) und Emotionen. Besonders bemerkenswert ist seine Fähigkeit, die Furcht der Beerenleserin sowie die reflektierte Selbstwahrnehmung des lyrischen Ichs auszudrücken. Hier zeigt sich die Stärke des Autors im Einsatz von Metaphern und Symbolen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „Gespenster“ von Conrad Ferdinand Meyer ein tiefgründiges Gedicht ist, das den Leser dazu einlädt, über die allgegenwärtige Präsenz von Erinnerungen in unserem Leben und ihre Wirkung auf uns nachzudenken.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Gespenster“ ist Conrad Ferdinand Meyer. Der Autor Conrad Ferdinand Meyer wurde 1825 in Zürich geboren. Im Jahr 1882 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Meyer ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 95 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 14 Versen. Die Gedichte „Unruhige Nacht“, „Nicola Pesces“ und „Möwenflug“ sind weitere Werke des Autors Conrad Ferdinand Meyer. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Gespenster“ weitere 80 Gedichte vor.

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