Bastard von Richard Dehmel
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Nun weißt du, Herz, was immer so |
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in deinen Wünschen bangt und glüht, |
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wie nach dem ersten Sonnenschimmer |
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die graue Nacht verlangt und glüht, |
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und was in deinen Lüsten |
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nach Seele dürstet wie nach Blut, |
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und was dich jagt von Herz zu Herz |
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aus dumpfer Sucht zu lichter Glut. |
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In früher Morgenstunde |
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hielt heut mein Alb mich schwer umstrickt: |
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aus meinem Herzen wuchs ein Baum, |
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o wie er drückt! er schwankt und nickt; |
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sein seltsam Laubwerk thut sich auf, |
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und aus den düstern Zweigen rauscht |
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mit großen heißen Augen |
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ein junges Vampyrweib – und lauscht. |
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Da kam genaht und ist schon da |
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Apoll im Sonnenwagen; |
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es flammt sein Blick den Baum hinan, |
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die Vampyrbraut genießt den Bann |
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mit dürstendem Behagen. |
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Es sehnt sein Arm sich wild empor, |
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vier Augen leuchten trunken; |
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das Nachtweib und der Sonnenfürst, |
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sie liegen hingesunken. |
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Es preßt mein Herz die schwere Last |
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der üppigen Sekunden, |
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es stampft auf mir der Rosse Hast – |
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er hat sich ihr entwunden. |
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Schon schwillt ihr Bauch von seiner Frucht, |
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hohl fleht ihr Auge: bleibe! |
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Er stößt sie sich vom Leibe, |
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von Ekel zuckt des Fußes Wucht, |
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hin ras’t des Wagens goldne Flucht. |
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Es windet sich im Krampfe |
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und stöhnt das graue Mutterweib, |
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mit ihren Vampyrfingern gräbt |
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sie sich den Lichtsohn aus dem Leib, |
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er ächzt – ein Schrei – Erbarmen: ich, |
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mich hält der dunkle Arm umkrallt, |
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da bin ich wach – – doch hör’ich, |
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wie noch ihr Fluch und Segen hallt: |
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Drum sollst du dulden dies dein Herz, |
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das so von Wünschen bangt und glüht, |
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wie nach dem ersten Sonnenschimmer |
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die graue Nacht verlangt und glüht, |
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und sollst in deinen Lüsten |
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nach Seele dürsten wie nach Blut, |
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und sollst dich mühn von Herz zu Herz |
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aus dumpfer Sucht zu lichter Glut! |
Details zum Gedicht „Bastard“
Richard Dehmel
6
50
288
1893
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Bastard“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Richard Dehmel. 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1893 entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 288 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 50 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke des Dichters Richard Dehmel sind „Dann“, „Das Gesicht“ und „Das Ideal“. Zum Autor des Gedichtes „Bastard“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 490 Gedichte vor.
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