Zuflucht von Karl Kraus

Hab’ ich dein Ohr nur, find’ ich schon mein Wort:
wie sollte mir’s dann an Gedanken fehlen?
Von zwei einander zugewandten Seelen
ist meine flüchtig, deine ist der Hort.
 
Ich komme aus dem Leben, jenem Ort,
wo sie mit Leidenschaft das Leben quälen
und sich die Menschen zu der Menschheit zählen,
und technisch meistern sie den Tag zum Tort.
 
So zwischen Schmach und Schönheit eingesetzt,
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rückwärts die Welt und vorwärts einen Garten
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ersehend, bleibt die Seele unverletzt.
 
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Fern zeigt das Leben seine blutigen Scharten,
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an mir hat es sich selber wundgehetzt.
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Öffne dein Ohr, um meines Worts zu warten!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Zuflucht“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Zuflucht“ wurde von Karl Kraus verfasst, einem österreichischen Schriftsteller und Journalisten, der von 1874 bis 1936 lebte. Dies legt nahe, dass das Gedicht irgendwann in der späten Phase des 19. oder frühen Phase des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht ernst und reflektierend. Es handelt von der Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und einer anderen Person, wahrscheinlich einem Freund oder Geliebten, sowie von der Beziehung des lyrischen Ichs zur Welt im Allgemeinen.

Im Gedicht scheint das lyrische Ich von einer schwierigen Wirklichkeit zu entfliehen und in den Dialog mit dem Anderen eine Art Refugium zu finden. Besonders auffällig ist, wie das lyrische Ich das Leben als Ort der Schmerzen und der technischen Kontrolle schildert, wo Menschen „das Leben quälen“ und „den Tag zum Tort“ machen. Gleichzeitig wird die Kommunikation mit einer anderen Person als ein Ort der Freiheit und des Trosts beschrieben, wo das lyrische Ich „sein Wort“ findet und seine Seele „unverletzt“ bleibt.

Das Gedicht ist in vier Strophen mit einer variierenden Anzahl von Versen unterteilt. Die Versform ist nicht streng gebunden, wobei die meisten Verse aus fünf-hebigen Jamben bestehen. Die Sprache ist recht klar und direkt, jedoch mit einigen poetischen Bildern, wie z.B. „zwischen Schmach und Schönheit eingesetzt“, „vorwärts einen Garten ersehend“ oder „das Leben zeigt seine blutigen Scharten“.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Gedicht von einer Suche nach Trost und Verständnis inmitten einer entfremdeten und technisierten Welt handelt. Es ist eine Reflexion über die Bedeutung von Kommunikation und zwischenmenschlicher Nähe in einer Zeit großer gesellschaftlicher und technologischer Veränderungen. Durch seine lyrische Ausdrucksform und seine thematische Tiefe bietet es auch heute noch eine lebendige und relevante Perspektive auf diese Fragen.

Weitere Informationen

Karl Kraus ist der Autor des Gedichtes „Zuflucht“. Im Jahr 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. In München ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 100 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Karl Kraus sind „Absage“, „Abschied und Wiederkehr“ und „Alle Vögel sind schon da“. Zum Autor des Gedichtes „Zuflucht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.

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