Willkommen und Abschied von Johann Wolfgang von Goethe

Frühere Fassung (1771)

Es schlug mein Herz, Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Wie ein getürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
 
Der Mond von einem Wolkenhügel
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Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
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Die Winde schwangen leise Flügel,
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Umsausten schauerlich mein Ohr;
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Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
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Doch tausendfacher war mein Mut:
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Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
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Mein ganzes Herz zerfloss in Glut.
 
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Ich sah dich, und die milde Freude
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Floß aus dem süßen Blick auf mich;
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Ganz war mein Herz an deiner Seite
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Und jeder Atemzug für dich.
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Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
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Lag auf dem lieblichen Gesicht,
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Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter!
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Ich hofft es, ich verdient es nicht!
 
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Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
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Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
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In deinen Küssen welche Liebe,
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O welche Wonne, welcher Schmerz!
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Du gingst, ich stund und sah zur Erden,
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Und sah dir nach mit nassem Blick:
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Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
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Und lieben, Götter, welch ein Glück!

Frühe Fassung, Erstdruck des Gedichtes, der ohne Überschrift in der Zeitschrift Iris erschien. Spätere Fassungen enthalten einige Veränderungen.

Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Willkommen und Abschied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
188
Entstehungsjahr
1771
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

„Willkommen und Abschied“ ist ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe, einem der bekanntesten Dichter der deutschen Literaturgeschichte. Es stammt aus der Zeit der sogenannten Sturm und Drang-Periode im späten 18. Jahrhundert, einer Epoche, die von emotionalen und leidenschaftlichen Ausdrucksformen geprägt war. Der erste Eindruck des Gedichts ist stark von dieser Emotion und Leidenschaft geprägt, es besticht durch intensive, romantische Bilder.

Das Gedicht handelt von einer Liebesgeschichte, die von starken Emotionen und einem Wechselspiel zwischen Nähe und Fernbeziehung geprägt ist. Das lyrische Ich schildert seine Fahrt zu Pferde zu seinem geliebten Gegenüber, beschreibt die nächtliche Reise und seine Furcht, die jedoch durch seinen Mut überwunden wird. Bei der Ankunft wird er von der Freude erfüllt, den geliebten Menschen zu sehen. Aber schon bald schwingt das Lied um und zeigt die Schwierigkeiten des Abschieds und beschreibt die gemischten Gefühle von Schmerz und Glück, die damit verbunden sind. Das lyrische Ich möchte damit die intensiven Gefühle und das emotionale Auf und Ab, die in einer Liebesbeziehung auftreten können, ausdrücken.

Das Gedicht weist einen regelmäßigen Rhythmus auf und ist in vier Strophen mit jeweils acht Versen unterteilt, was eine sorgfältige Planung und Strukturierung zeigt. Die Sprache ist bildreich und metaphorisch, sie erzeugt starke, lebendige Bilder in der Vorstellung des Lesers. Goethe verwendet Worte und Phrasen, die Stimmungen und Atmosphären evozieren und es ihm ermöglichen, intensive Emotionen zu kommunizieren. Die Verwendung von Begriffen wie „schon die Erde“ und „ein verzehrend Feuer“ verleihen dem Gedicht eine leidenschaftliche, überschwängliche Qualität, die typisch für die Sturm und Drang-Epoche ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Willkommen und Abschied“ ein dramatisches und emotionales Gedicht ist, das die Intensität und die Höhen und Tiefen einer romantischen Beziehung oftmals widerspiegelt. Goethe nutzt effektiv Sprache und Form, um eine lebendige und emotionale Darstellung von Liebe, Leidenschaft und Abschied zu bieten. Es ist ein fesselndes Gedicht, das den Leser in die emotionale Welt des lyrischen Ichs einführt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Willkommen und Abschied“ ist Johann Wolfgang von Goethe. Geboren wurde Goethe im Jahr 1749 in Frankfurt am Main. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1771. Erschienen ist der Text in Düsseldorf. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Vertreter des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Weimarer Klassik war beeinflusst worden durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und mit dem Tod Goethes 1832 eingrenzen. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Dichter der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. In der Gestaltung wurde das Wesentliche, Gültige, Gesetzmäßige aber auch die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oft derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Weimarer Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die bekanntesten Dichter der Weimarer Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland.

Das vorliegende Gedicht umfasst 188 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Die Gedichte „Alexis und Dora“, „Am 1. October 1797“ und „Amytnas“ sind weitere Werke des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Zum Autor des Gedichtes „Willkommen und Abschied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1618 Gedichte vor.

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