Goethe, Johann Wolfgang von - Willkommen und Abschied (Interpretation der späteren Fassung)

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Johann Wolfgang von Goethe, Analyse, Gedichtinterpretation, Spätere Fassung, Referat, Hausaufgabe, Goethe, Johann Wolfgang von - Willkommen und Abschied (Interpretation der späteren Fassung)
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Referat

Johann Wolfgang von Goethe – Analyse „Willkommen und Abschied“

Willkommen und Abschied
von Johann Wolfgang von Goethe

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde
Und an den Bergen hing die Nacht
Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
 
Der Mond von einem Wolkenhügel
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Sah kläglich aus dem Duft hervor;
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Die winde schwangen leise Flügel
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Umsausten schauerlich mein Ohr
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Die Nacht schuf tausend Ungeheuer
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Doch frisch und fröhlich war mein Mut
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In meinen Adern welches Feuer!
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In meinen Herzen welche Glut!
 
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Dich sah ich, und die milde Freude
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Floß von dem süßen Blick auf mich;
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Ganz war mein Herz an deiner Seite
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Und jeder Atemzug für dich.
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Ein rosafarbenes Frühlingswetter
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Umgab das liebliche Gesicht,
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Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
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Ich hofft es, ich verdient es nicht!
 
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Doch, ach schon mit der Morgensonne
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Verengt der Abschied mir das Herz
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In deinen Küssen welche Wonne!
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In deinem Auge welcher Schmerz!
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Ich ging und du standst und sahst zu Erden
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Und sahst mir nach mit nassen Blick:
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Und doch welch Glück geliebt zu werden!
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Und lieben, Götter, welch ein Glück!

(„Willkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.3 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Willkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe aus der Epoche Sturm und Drang erschien erstmals 1775 und wurde 1810 in der finalen, hier vorliegenden Form veröffentlicht. Allgemeines Thema ist die Liebe, welche hier unter dem Aspekt eines heimlichen Treffens zwischen zwei frisch Verliebten betrachtet wird.

Im Folgenden soll der Text näher betrachtet werden.

Beim ersten Lesen fallen insbesondere die vielen sprachlichen Bilder auf, mit denen die Natur beschrieben wird. Außerdem wendet sich das lyrische Ich, welches seine eigenen Erfahrungen schildert und dadurch aktiv am Geschehen teilnimmt zweimal an die Götter als eine höhere Macht.

In den ersten beiden Strophen wartet das lyrische Ich nachts auf seine Geliebte. Dabei liegt der Fokus auf Beschreibung der Umgebung, welche zwar bedrohlich wirkt, dem lyrischen Ich, das voller Vorfreude und Erwartung ist, jedoch keine Angst macht. Diese Erwartungen werden in der nächsten Strophe durch die Ankunft des lyrischen Dus erfüllt, woraufhin die beiden einige glückliche Stunden miteinander verbringen. Dieses ungetrübte Glücksgefühl schwindet in der vierten und letzten Strophe, als das lyrische Ich seinen Partner aufgrund des anbrechenden Tages verlassen muss. Jedoch bleiben ihm selbst hier eine Freude und Befriedigung erhalten, die durch die glückliche, erwiderte Liebe ausgelöst werden.

Da das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils acht Versen besteht, ähnelt es in der Form einem Volkslied. Dabei sind alle Strophen nach einem doppelten Kreuzreim (ababcdcd) aufgebaut, die Kadenzen im Metrum Jambus alternieren ebenfalls dem Reimschema entsprechend (wmwmwmwm). Außerdem werden viele Enjambements verwendet, welche zusammen mit dem Jambus und den unterschiedlichen Kadenzen eine gewisse Hektik und Unruhe erzeugen. Dieser Eindruck spiegelt sich auch im Inhalt, dem heimlichen Treffen in der Nacht und der aufgeregten, jungen Liebe. Da dennoch über den gesamten Text hinweg ein Muster in der Form beibehalten wird, zeugt sie ebenso von der Harmonie zwischen den Liebenden, auch, wenn sich diese eher ungestüm und wild präsentiert.

Wie oben bereits erwähnt, enthält der gesamte Text besonders viele sprachliche Bilder, insbesondere in den ersten zwei Strophen, um die Natur zu beschreiben. Hierbei finden sich einige atmosphärische Widersprüche, zum Beispiel strahlt die Personifikation „Der Abend wiegte schon die Erde“ (V. 3) Ruhe und Geborgenheit durch das Verb „wiegen“ aus, diese werden aber in den Versen 5 und 6 aufgelöst: Die Eiche im „Nebelkleid“ (V. 5) sieht aus wie ein „aufgetürmter Riese“ (V. 6) und erzeugt so ein Gefühl von Ehrfurcht oder sogar Furcht bei dem Leser. Da bereits in Vers 4 die Nacht als „an den Bergen h[ängend]“ (V. 4) personifiziert wird, kann man sich vorstellen, wie das lyrische ich am Treffpunkt immer mehr von der Dunkelheit und dem Nebel eingehüllt wird. Dabei wird auch auf die menschlichen Urängste vor Orientierungslosigkeit, Einsamkeit und Dunkelheit abgezielt. Mit der Personifikation „Finsternis […] mit hundert schwarzen Augen sah“ (V. 7/8) wird dieser Eindruck noch intensiver, bedrängender und bedrohlicher, denn die alles umgebende Dunkelheit wird zu einem realen Lebewesen. Hierbei spielt auch die Wortwahl eine Rolle. Anstatt von Dunkelheit und Büschen spricht das lyrische Ich von „Finsternis“ (V.7) und „Gesträuch[…]“ (V.7). Diese Worte wirken allgemein wilder und gefährlicher, vor allem Gesträuche ist auch akustisch durch den hohen Anteil an Konsonanten ein hartes, unangenehmes Wort.

Da sich die zweite Strophe ebenfalls der Natur widmet, bleibt die Stimmung erst einmal ähnlich. Der Mond, die einzige Quelle von Licht und Sicherheit, wird von einem „Wolkenhügel“ (V. 9) als Metapher für einen verhangenen Himmel zum größten Teil versteckt; etwas Licht tritt zwar hervor („sah“, Personifikation, V. 10), ist jedoch im Großen und Ganzen „kläglich“ (V. 10) und kann somit nichts gegen die Bedrohung der Nacht ausrichten. Parallel zu Strophe eins findet sich auch hier im dritten Vers der Strophe eine ruhige Personifikation mit „Die Winde schwangen leise Flügel“ (V. 11). So denkt man an eine sanfte, angenehm kühle Brise, schwingende Flügel werden allgemein mit Vögeln, dem Fliegen und Freiheit assoziiert. Als dieser tröstende Aspekt allerdings in Vers 12 weiter ausgeführt wird, wird klar, dass die Umgebung auch hier nichts Gutes verheißt: Der Wind ist in Wirklichkeit „schauerlich“ (V. 12) und „umsaust“ (V. 12) die Ohren des lyrischen Ichs. Final und sehr deutlich werden all diese Eindrücke schließlich in Vers 13 ein letztes Mal personifiziert. „Die Nacht“ (V. 13) als allumfassendes Wesen schafft „tausend Ungeheuer“ (V. 13) um den Menschen Angst zu machen und sie davon abzuhalten, ihre Häuser zu verlassen. Die Tausend steht stellvertretend für die Betonung einer riesigen und unbezwingbaren Zahl an Ungeheuern und Bedrohungen.

[hier käme der Rest des Hauptteils]

Bei der Analyse des Textes fällt auf, dass der Fokus weniger auf dem eigentlichen Treffen des Paares als auf der starken Liebe des lyrischen Ichs liegt. Diese Liebe verleitet dazu auch gefährliche Situationen in Kauf zu nehmen und lenkt alle Gedanken und Handlungen einer Person auf den geliebten Anderen – die sprichwörtlich rosarote Brille.

Entsprechend seiner Entstehungszeit weist der Text außerdem charakteristische Merkmale des Sturm und Drang auf: Bereits die Form des Volksliedes entspricht den Normen dieser Epoche. Außerdem liegt der Fokus auf den Gefühlen des lyrischen Ichs und seiner Fantasie, die in der personifizierten Natur zum Ausdruck kommt. Auch das mehrfache Anrufen der Götter als höhere Macht ist eine typische Auflehnung gegen das rationale Denken der Aufklärung, welches keine übermenschlichen Kräfte vorsieht.

Des Weiteren ist interessant, dass das Gedicht zwar erst 1775 veröffentlicht wurde, jedoch der zu diesem Zeitpunkt bereits beendeten Beziehung mit Friederike Brion gewidmet ist. Es lässt sich vermuten, dass Goethe hier – wie im Sturm und Drang verbreitet – eine eigene Erfahrung schildert. Dabei stellt sich die abschließende Frage, ob der Text schon Jahre vorher verfasst wurde, oder, ob Goethe sich 1775 nach der verflossenen Liebe sehnte und sich durch dieses Gedicht in die Vergangenheit träumte.

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