Westfalen von Heinrich Kämpchen

Westfalenland, dich will ich preisen,
Du bist noch deutschen Sanges wert,
Zum Schwerte gibst du uns das Eisen,
Die Kohle für den deutschen Herd.
Du bist das Kleinod noch inmitten
Von Edelsteinen mancher Art –
Du hast die guten, alten Sitten,
Die alte Treue dir gewahrt. –
 
So haben oft schon deine Dichter
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Im Lied dir den Tribut gezollt –
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Ich aber ford’re and’re Richter
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Und buhle nicht um Gunst und Gold. –
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Wohl will ich dich, Westfalen, preisen,
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Doch ächten auch die harte Fron,
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Womit man Kohle hier und Eisen
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Gewinnt um einen Hungerlohn.
 
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Und seh’ ich deine Schlote rauchen,
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Westfalenland, ein stolzes Bild, –
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Ich weiß doch, daß sie Gift nur hauchen
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Rings für das blühende Gefild. –
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Ich weiß, wie an den Feueressen
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Der arme Fröner schnell verdirbt –
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Und will den Bergmann nicht vergessen,
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Der eines frühen Todes stirbt. –
 
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Mein Heimatland, du bist mir teuer,
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Wie hätte sonst ich Sohnesrecht –
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Doch haß ich auch wie Blut und Feuer
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Den Zwingherrn und den feigen Knecht. –
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Und ob auch deine Schlösser ragen
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In stolzer Pracht zum Himmelsblau –
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Das Volk muß doch die Lasten tragen,
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Das arme Volk, von jedem Bau. –
 
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Schön bist du, Land der roten Erde,
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Im Morgengold, im Abendlicht –
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Nur auch ein Land der Freiheit werde,
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Dies will und fordert mein Gedicht.
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Daß deine Söhne nicht mehr länger
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Verkümmern noch bei kargem Sold –
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O schafft es mit, ihr freien Sänger,
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Die ihr nicht singt um Gunst und Gold! –
 
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Gedenkt der Vorzeit, wo die alten,
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Die freien Sachsen, hier gehaust –
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Ihr sollt die starke Kraft erhalten,
44 
Die noch im Volke pulst und braust. –
45 
Laßt mächtig euer Lied erschallen,
46 
Daß es durch alle Herzen loht –
47 
Die ihr in Hütten singt und Hallen,
48 
O singt die alte Knechtschaft tot. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Westfalen“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
285
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Westfalen“ wurde von Heinrich Kämpchen (* 23. Mai 1847, † 06. März 1912) verfasst. Damit liegt das Werk zeitlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und folglich in der Phase der Industrialisierung.

Beim ersten Eindruck fällt auf, dass das lyrische Ich seine Heimat Westfalen als liebenswerte und wertvolle Region darstellt, die jedoch auch Kritik verdient. Der Inhalt des Gedichts dreht sich um das Panorama Westfalens und die dort lebenden Menschen. Durch die Industrialisierung schufteten die Menschen für einen niedrigen Lohn im Bergbau, mussten unter den giftigen Dämpfen der Fabriken leiden und verkümmerten bei kargem Sold. Obwohl das lyrische Ich seine Heimat preist, zeigt es hier gleichzeitig eine kritische Haltung gegenüber den Veränderungen, die mit der Industrialisierung einhergingen.

Formal setzt sich das Gedicht aus sechs Strophen mit jeweils acht Versen zusammen. Die Sprache ist relativ einfach gehalten und der Ausdrucksstil ist mehr beschreibend, wobei eine Pathetik nicht zu übersehen ist.

Die Aussage des lyrischen Ichs ist klar: Es wertschätzt die traditionellen Werte und die Schönheit seines Heimatlandes Westfalen, ist aber gleichzeitig entsetzt über die negativen Aspekte der Industrialisierung und die damit verbundenen menschlichen Leiden. Es fordert eine Rückkehr zur Freiheit und Gerechtigkeit für seine Landsleute und dass die industrielle Ausbeutung ein Ende haben soll.

„Westfalen“ ist ein Paradebeispiel für ein Gedicht, das die Kritik an sozialen Ungerechtigkeiten zur damaligen Zeit zum Ausdruck bringt. Es bietet einen wertvollen Einblick in das Leben und die Bedingungen der Arbeiter während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert in Deutschland.

Weitere Informationen

Heinrich Kämpchen ist der Autor des Gedichtes „Westfalen“. Kämpchen wurde im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Der Erscheinungsort ist Bochum. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epoche sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 285 Worte. Die Gedichte „Am Grabe der Mutter“, „Am Kochbrunnen in Wiesbaden“ und „Am Marienbrönnlein“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Kämpchen. Zum Autor des Gedichtes „Westfalen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 165 Gedichte veröffentlicht.

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