Am Grabe der Mutter von Heinrich Kämpchen

Lieb’ Mütterchen, an deinem Grabe steht
Dein Sohn, dein Liebling, wie du ihn genannt,
Als noch gepflegt ihn deine weiche Hand
Mit Mutterhuld, mit Mutterlieb’ und Treu. –
 
Du ruhest lange schon – ich unterdeß
Bin alt geworden und das Leben hat
Mit rauher Faust gewürfelt mich unstet,
Wie auf der Tenne das Getreid’ der Wind. –
 
Durch Dornen schritt mein Fuß – wund und bestaubt,
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Ein durst’ger Wandrer ohne Born und Quell,
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Zog ich des Weg’s dahin, und öfters ward
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Der Pfad gesperrt mir von Geröll und Kluft. –
 
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Ja, dornig war der Weg, und rauh und steil,
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Den ich gegangen bin – und wenn mir jetzt
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Im Abendrot ein wenig Ruhe winkt,
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So ist’s die Rast nur vor dem letzten Gang. –
 
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Doch immer, Mutter, gab dein Bild Geleit
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In allen Stürmen mir – ich dachte dein
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Im Grau’n des Schachts, wenn krachend das Gebirg’
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Zusammenbrach – du warst mir Schutz und Schild. –
 
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Und wenn ich jetzt an deinem Grabe steh’,
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Ein armer alter, lebensmüder Mann, –
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Zur Mutter wieder sonder Rast und Ruh
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Zieht’s mich mit allen Herzensfasern hin. –
 
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Schlaf, Mütterchen! Vielleicht nur kurze Frist,
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Dann ruht dein Sohn zur Seite wieder dir,
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Wie vordem einst. – O, möge leicht und lind
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Sein Schlummer auch, wie deiner, Mutter, sein! –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Am Grabe der Mutter“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
206
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Am Grabe der Mutter“ wurde von Heinrich Kämpchen verfasst, der von 1847 bis 1912 lebte. Dieser zeitliche Kontext platziert das Werk in die Epoche des Realismus, obwohl auch Züge des Biedermeier zu erkennen sind.

Nimmt man das Gedicht zum ersten Mal zur Hand, spürt man die Emotionalität und innige Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und seiner verstorbenen Mutter. Die traurige und melancholische Atmosphäre wird durch Beschreibungen von Alter, Erschöpfung und den Lebensthemen Tod und Abschied geprägt.

Inhaltlich schildert das lyrische Ich seine Empfindungen und Erinnerungen beim Besuch des Grabes seiner Mutter. Es wird eine Reihe von Rückblicken auf sein hartes, von Schwierigkeiten geprägtes Leben präsentiert, während gleichzeitig das Bild der Mutter als stetiges Symbol für Schutz, Geborgenheit und Liebe erhalten bleibt. Das lyrische Ich sehnt sich nach Ruhe und Frieden und wird von der Vorstellung getröstet, bald neben seiner Mutter zur Ruhe zu kommen.

Die formale Struktur des Gedichts ist geprägt durch sieben gleichmäßig nachgebildete Strophen, die jeweils vier Verse enthalten. Es handelt sich um Reimpaare in einem strikten alternierenden Schema.

Die Sprache des Gedichts ist bildhaft und ausdrucksstark. Mit symbolischen Bildern wie der rauen Faust, die das Leben wirbelt, oder dem Weg durch Dornen und Geröll erzeugt das lyrische Ich ein starkes Bild für die Schwierigkeiten und Herausforderungen des Lebens. Zugleich dienen diese Erlebnisse als Kontrast zur liebevollen und warmen Bildsprache, die mit der Mutter und ihrer Liebe assoziiert wird.

Zusammenfassend ist das Gedicht „Am Grabe der Mutter“ von Heinrich Kämpchen eine emotionale Reflektion auf das Leben und den Tod, die tröstet und doch tief bewegt. Der tiefe Respekt und die Liebe zur Mutter schwingen in jeder Zeile mit und machen das Werk besonders berührend.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Am Grabe der Mutter“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Kämpchen. Geboren wurde Kämpchen im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Der Erscheinungsort ist Bochum. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 206 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Kämpchen sind „An Annette von Droste-Hülshoff“, „An Hertha“ und „An Hödur“. Zum Autor des Gedichtes „Am Grabe der Mutter“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 165 Gedichte vor.

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