Waldtragödie von Heinrich Kämpchen

Die Mondessichel blinkt im letzten Strahl,
Da zieht ein Rudel Hirsche durch das Tal
Dem Walde zu, mit wachsamer Geberde,
Ein Vierzehnender hat die Hut der Herde. –
 
Jetzt stutzt der Hirsch – und sichert scharf und lang’
Zum dunklen Dickicht an dem Bergeshang –
Es ist der Paß – er muß ihn überschreiten,
Das Rudel wieder in den Wald zu leiten. –
 
Die liebste Hinde schoß man dort ihm tot
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Vor Jahresfrist beim ersten Morgenrot –
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So mußte sie ihr frühes Ende finden,
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Noch kann’s der stolze Recke nicht verwinden. –
 
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Und wieder stutzt der Hirsch – und dann ein Satz
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Und Blitz und Knall – gesäubert ist der Platz –
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Das ganze Rudel ist versprengt, zerstoben,
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Nur er, der Stolze, hat sich nicht erhoben. –
 
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Vor’m Jahr ward hier die Hinde sein gefällt,
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Nun hat die Kugel ihm das Herz zerspelt –
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Was schleicht heran dort, wie ein grauer Schatten?
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Der Wildschütz ist’s – die Jagd ging gut von statten.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Waldtragödie“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
152
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Heinrich Kämpchen, der von 1847 bis 1912 lebte. Damit datiert sein Werk in die Epoche des Realismus, einer Periode, in der die Dichter versuchten, die Wirklichkeit so getreu wie möglich abzubilden.

Beim ersten Lesen erinnert das Gedicht an eine melancholische Naturgeschichte. Die Verse zeichnen das Bild einer friedlichen Idylle, die abrupt durch menschliche Eingriffe zerstört wird. Das lyrische Ich fungiert dabei als Beobachter und Betrachter ohne aktiv in das Geschehen einzugreifen.

Inhaltlich erzählt das Gedicht die Geschichte einer Gruppe von Hirschen, die unter der Führung eines „Vierzehnenders“, eines besonders prächtigen, männlichen Hirsches, durch ein Tal wandert. Sie sind auf dem Weg zurück in den Wald, als sie einen Pass überqueren müssen, an dem vor einem Jahr die Lieblingskuh des Hirschens von einem Wilderer getötet wurde. Als der Hirsch den Pass erneut überquert, wird er ebenfalls erschossen. Die letzte Zeile des Gedichts offenbart, dass der Wildschütz erneut erfolgreich war.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen zu je vier Versen, was als Kreuzreim bezeichnet wird. Die Sprache ist recht anschaulich und nutzt präzise Beschreibungen, um die Szenerie und die Geschehnisse lebendig zu gestalten.

Die Erzählung zeigt die destruktive Beziehung zwischen Mensch und Natur und kann als Protest gegen unethisches Jagen gedeutet werden. Der poetische Ton und die spezifischen Bilder intensivieren das Ausmaß der Tragik und verdeutlichen die Kämpchens kritische Haltung gegenüber der Jagd und ihrem Einfluss auf die Natur. Daher könnte das lyrische Ich durchaus als Alter Ego des Autors interpretiert werden, der seine persönlichen Überzeugungen durch das Medium der Poesie kommuniziert.

Insgesamt handelt es sich bei „Waldtragödie“ um ein atmosphärisch dichtes Gedicht, das den Leser gleichzeitig unterhält und zum Nachdenken anregt.

Weitere Informationen

Heinrich Kämpchen ist der Autor des Gedichtes „Waldtragödie“. 1847 wurde Kämpchen in Altendorf an der Ruhr geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1909 zurück. Der Erscheinungsort ist Bochum. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 152 Worte. Der Dichter Heinrich Kämpchen ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendläuten“, „Altendorf“ und „Am Gemündener Maar“. Zum Autor des Gedichtes „Waldtragödie“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 165 Gedichte vor.

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