Venus Nutrix von Richard Dehmel

Aber nicht wieder! nein, nie wieder!
Ja, du wolltest mich beglücken:
wie sie an dein Fleisch sich drücken,
diese kleinen nackten Glieder.
Aber mir diese Lust beschauen,
ist mir ein Grauen.
 
Zu tief sah ich unsrer zahmen Katze
in die mütterlichen Augen,
wie sie ließ die Jungen saugen
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unter der steifen, scharfen Tatze;
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und der jungen, blinden Brut
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schmeckte das alte Raubtier gut!
 
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Decke die Brust zu, wenn die Lippen
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deines Sohnes dich berühren;
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laß ihn andre Wonnen spüren
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als den Blick der Ahnen und der Sippen!
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Nein, ich wollte dich nicht betrüben;
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nur – nur anders laß uns lieben!
 
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Bebt’ich doch selber, als ich ihn küßte,
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und ich will die Wonnen der Ammen
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nicht verdammen:
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dunkel ist der Zweck der Lüste.
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Aber die Mütter – nein, schweigen wir!
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wehe, der Mensch ist ein Säugetier.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Venus Nutrix“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
134
Entstehungsjahr
1893
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Venus Nutrix“ wurde von Richard Dehmel, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1863 bis 1920 lebte, verfasst. Es lässt sich zeitlich in die Epoche des Naturalismus einordnen, in der Dehmel seine eigentlichen Wurzeln hatte. Auf den ersten Eindruck hin wirkt das Gedicht emotional aufgeladen und voller Konflikte.

Im ersten Abschnitt drückt das lyrische Ich seine Ablehnung und Abscheu gegenüber einer bestimmten Situation aus, es scheint sich um eine Mutter-Kind-Interaktion zu handeln. Dem lyrischen Ich graut davor, zu sehen, wie die Mutter dem Kind zugewandt ist. Im zweiten Abschnitt führt das lyrische Ich einen Vergleich an, in dem es auf die mütterliche Katze und ihre Jungen verweist. Die Katze wird hierbei als Raubtier dargestellt, das seine Brut ernährt. Es wird eine Assoziation von Gewalt und Grauen erzeugt.

Im dritten Abschnitt bittet das lyrische Ich die Mutter, ihre Brust zu bedecken, wenn ihr Kind sie berührt. Es scheint, dass das lyrische Ich Probleme hat mit der natürlichen mütterlichen Fürsorge und der damit verbundenen körperlichen Nähe zwischen Mutter und Kind. Im letzten Abschnitt gesteht das lyrische Ich, dass es selbst von den mütterlichen Freuden ergriffen wurde, als es das Kind küsste. Allerdings bezeichnet das lyrische Ich am Ende der Strophe Menschheit als „Säugetier“, was auf eine negative Bewertung der mütterlichen Instinkte und der Mutterschaft selbst hindeutet.

Zur Form und Sprache des Gedichts: Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils sechs Versen, die durch eine klare Gliederung und Rhythmusstruktur gekennzeichnet sind. Das Gedicht ist in einer emotional aufgeladenen, bildhaften und manchmal sogar drastischen Sprache verfasst. Es nutzt starke Metaphern und Vergleiche, um die körperliche Intimität und das Fürsorgeverhalten von Müttern zu beschreiben und zu kritisieren. Die Wortwahl ist mit Begriffen wie „Grauen“, „Raubtier“ und „Säugetier“ stark emotional aufgeladen und dramatisch. Dabei bedient sich der Autor einer Sprachform, welche die natürlichen Abläufe in der Mutterschaft als abstoßend darstellt und damit die typischen Vorstellungen von der heiligen Mutterschaft in Frage stellt. Die Mutter-Kind-Beziehung wird nicht als idyllisch, sondern als bedrückend dargestellt. Die Kritik an der mütterlichen Fürsorge und den weiblichen Rollenerwartungen kann als zentrales Thema betrachtet werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Venus Nutrix“ ist Richard Dehmel. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. 1893 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 134 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Richard Dehmel sind „An mein Volk“, „Antwort“ und „Auf der Reise“. Zum Autor des Gedichtes „Venus Nutrix“ haben wir auf abi-pur.de weitere 522 Gedichte veröffentlicht.

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