Scirocco-Phantasien von Marie Eugenie Delle Grazie
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Ein schwüler Tag... von unheimlichen Gluthen |
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Geschwängert, athmet bang und träg die Luft; |
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Die Sonne scheint am Himmel zu verbluten, |
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Der Erd’ entströmt ein räthselhafter Duft, |
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Der stark wie Opium die müden Glieder |
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Dir löst, doch heiß die Sinne dir erregt – |
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Nur scheinbar küßt der Traumgott deine Lider, |
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Zu bunt ist, was er zeigt und zu bewegt; |
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Zu grell und leuchtend malen seine Farben, |
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Zu lebensprühend täuscht dich seine Macht, |
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Es ist, als bände er den Blitz zu Garben, |
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Für seiner Bilder loh’nde Märchenpracht! – |
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Auf stiller Höh’, wo ernst und traumverloren |
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San Pietro und Bramante’s Tempel steh’n, |
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Hab’ ich ein einsam Plätzchen mir erkoren, |
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Dem dunkle Pinienzweige Kühlung weh’n. |
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Wie ausgestorben liegt zu meinen Füßen |
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Die Stadt im Banne des Scirocco: leer |
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Und öd’... doch die Albanerberge grüßen |
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Gigantisch über die Campagna her, |
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Und fern am Rand des Horizontes thürmen |
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Gewitterschwanger sich die Wolken auf – |
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Ein Flügelschlag des Windes – und sie stürmen |
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Wie eine schwarze Legion herauf.... |
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Erwartungsvolles, athemloses Schweigen |
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Ringsum; ein dumpfes Brüten in der Luft, |
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Ein geisterhaftes Flüstern in den Zweigen, |
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Verblühender Magnolien schwüler Duft – |
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Versengend brennt die Sonne auf mich nieder, |
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Schon flammt sie roth, wie Moloch im Zenith! |
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Ha – Kühlung – Luft! Da sinken mir die Lider – |
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Welch Rauschen? Traumgott – hör’ ich deinen Schritt? |
Details zum Gedicht „Scirocco-Phantasien“
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1892
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Scirocco-Phantasien“ wurde von der österreichischen Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie geschrieben, die von 1864 bis 1931 lebte und somit der Epoche des literarischen Realismus und der literarischen Moderne zuzuordnen ist.
Erster Eindruck: Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht den Eindruck eines aufgeladenen, fast surrealistischen Gemäldes. Die Worte sind bemerkenswert lebendig und laden zu einer Bildsprache ein, die die Sinne und Gefühle des lyrischen Ichs hervorruft. New
Inhaltlich: Im ersten Teil des Gedichts wird die Hitzewelle des Scirocco, einem heißen Wüstenwind, lebendig beschrieben. Der heiße Wind lähmt und erregt zugleich die Sinne, führt beinahe zu halluzinogenen Visionen. Im zweiten Teil des Gedichts wird das lyrische Ich lokalisiert - es befindet sich auf einem stillen Hügel, von wo aus es auf die von der Hitzewelle gelähmte Stadt und den heraufziehenden Sturm blickt. Im dritten Teil erwartet das lyrische Ich den aufziehenden Sturm, sehnt sich nach Kühlung und stellt schließlich fest, dass es wieder in den tranceähnlichen Zustand zurückfällt, den der Scirocco hervorruft.
Form und Sprache: Das Gedicht ist in ausdrucksstarken, bildreichen Versen geschrieben. Die Form ist nicht starr, sondern variiert in der Anzahl der Verse. Die Wortwahl und die Bilder, die Delle Grazie wählt, sind komplex und symbolisch, was zu einer fast traumähnlichen Atmosphäre führt. Es handelt sich um ein expressives Gedicht, das den Eindruck von Farbe und Bewegung erzeugt und das lyrische Ich als Beobachter in einer surrealistischen, in der Hitze getränkten Welt zeigt.
Insgesamt bedient sich Delle Grazie einer sehr sinnlichen, bildreichen Sprache und starken Metaphern, um die schwindelerregende Hitze, die Sehnsucht nach Kühlung und den heraufziehenden Sturm zu beschreiben. Das Gedicht verkörpert einen intensiven, beinahe ekstatischen Zustand des lyrischen Ichs, gefangen zwischen Erstarrung und Erregung, zwischen Betäubung und sinnlicher Überwältigung.
Weitere Informationen
Marie Eugenie Delle Grazie ist die Autorin des Gedichtes „Scirocco-Phantasien“. Die Autorin Marie Eugenie Delle Grazie wurde 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1892. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Realismus zuordnen. Die Schriftstellerin Delle Grazie ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 211 Worte. Weitere Werke der Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie sind „Addio“, „Addio a Capri“ und „Apoll vom Belvedere“. Zur Autorin des Gedichtes „Scirocco-Phantasien“ haben wir auf abi-pur.de weitere 71 Gedichte veröffentlicht.
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