An eine Sängerin von Heinrich Heine

Als sie eine alte Romanze sang

Ich denke noch der Zaubervollen,
Wie sie zuerst mein Auge sah!
Wie ihre Töne lieblich klangen,
Und heimlich süß in’s Herze drangen,
Entrollten Thränen meinen Wangen, –
Ich wußte nicht wie mir geschah.
 
Ein Traum war über mich gekommen:
Als sey ich noch ein frommes Kind,
Und säße still, beim Lämpchenscheine,
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In Mutters warmen Kämmerleine,
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Und läse Mährchen wunderfeine,
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Derweilen draußen Nacht und Wind.
 
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Die Mährchen fangen an zu leben,
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Die Ritter steigen aus der Gruft;
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Bei Ronzisvall da giebt’s ein Streiten,
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Da kommt Herr Roland herzureiten,
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Viel kühne Degen ihn begleiten,
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Auch leider Ganelon, der Schuft.
 
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Durch den wird Roland schlimm gebettet;
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Er schwimmt in Blut, und athmet kaum;
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Kaum mochte fern sein Jagdhornzeichen
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Das Ohr des großen Carls erreichen, –
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Da muß der Ritter schon erbleichen, –
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Und mit ihm stirbt zugleich mein Traum.
 
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Das war ein laut verworr’nes Schallen,
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Das mich aus meinem Träumen rief.
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Verklungen war jetzt die Legende,
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Die Leute schlugen in die Hände,
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Und riefen „Bravo“ ohne Ende;
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Die Sängerin verneigt sich tief.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „An eine Sängerin“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
169
Entstehungsjahr
1817–1821
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An eine Sängerin“ stammt von Heinrich Heine, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Es kann in die Epoche des Vormärz eingeordnet werden, wobei Heine oft als Vorläufer der literarischen Moderne bezeichnet wird.

Bereits der erste Eindruck zeigt die Intensität, die der lyrischen Begegnung mit der Sängerin innewohnt. Die Gedanken und Emotionen des lyrischen Ichs fließen in tiefer Bewunderung und Ergriffenheit, ausgelöst durch die Performance der Sängerin.

Im Gedicht beschreibt das lyrische Ich seine Begegnung mit einer Sängerin. Ihre Stimme hat es derart berührt, dass es zu Tränen gerührt war und nicht verstehen konnte, was in ihm vorging. Die Sängerin löste in ihm Erinnerungen an die Kindheit aus und ließ es an Märchen glauben, die plötzlich zum Leben erwachten. In seiner Fantasie sieht das lyrische Ich Ritter kämpfen und historische Ereignisse ablaufen, die durch die Stimme der Sängerin heraufbeschworen werden. Die Musik erweckt Bilder von Kampf und Tod und lässt das lyrische Ich schließlich aus seinem Traum aufwachen. Das Ende des Liedes wird von Applaus begleitet und die Sängerin verneigt sich.

Heines Sprache ist charakteristisch für die Romantik, geprägt von emotionalen und sinnlichen Bildern, die eine faszinierende, märchenhafte Welt erzeugen. Die Form des Gedichts ist streng und geordnet mit je sechs Versen pro Strophe, was eine gewisse Symmetrie und Struktur in der Erzählung des lyrischen Ichs bietet. Die Verwendung des Reims und der regelmäßigen Metrik trägt zur Musikalität des Gedichts bei und spiegelt die Rolle der Sängerin und deren Einfluss auf das lyrische Ich wider.

Die Kraft der Poesie und der Musik, Emotionen hervorzurufen und Bilder zu erwecken, wird hier in den Vordergrund gestellt. Heine zeigt die transformative Macht der Kunst und ihre Fähigkeit, uns zu berühren und unseren innersten Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Die Sängerin in Heines Gedicht steht somit nicht nur für eine individuelle Künstlerin, sondern kann auch als Symbol für die Kraft und Bedeutung der Kunst im Allgemeinen verstanden werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An eine Sängerin“ ist Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1821 entstanden. Erschienen ist der Text in Hamburg. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 169 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Abenddämmerung“, „Ach, die Augen sind es wieder“ und „Ach, ich sehne mich nach Thränen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An eine Sängerin“ weitere 535 Gedichte vor.

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