Mit der Uhr in der Hand von Karl Kraus

Dies ist das Aug in Aug der Technik mit dem Tod.
Will Tapferkeit noch Anteil an der Macht?
Hier läuft die Uhr ab, aller Tag wird Nacht.
Du mutiger Schlachtengott, errett uns aus der Not!
 
Nicht dir, der du da dumpf aus der Maschine kamst,
ein Opfer war es, sondern der Maschine!
Hier stand mit unbewegter Siegermiene
ein stolzer Apparat, dem du die Seele nahmst.
 
Dort ist ein Mörser. Ihm entrinnt der arme Mann,
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der ihn erfand. Er schützt sich in dem Graben.
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Weil Zwerge Riesen überwältigt haben,
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seht her, die Uhr die Zeit zum Stehen bringen kann!
 
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Geht schlafen, überschlaft’s. Gebt Gnade euch und Ruh.
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Sonst sitzt euch einst ein Krüppel im Büro,
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drückt auf den Taster, hebt das Agio,
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denn grad flog London in die Luft, wie geht das zu!
 
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Wie viel war’s an der Zeit, als jenes jetzt geschah?
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Schlecht sieht das Aug, das giftige Gase beizen.
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Doch hört das Ohr, die Uhr schlug eben dreizehn.
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Unsichtig Wetter kommt, der Untergang ist nah.
 
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Entwickelt es sich so mit kunterbunten Scherzen —
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behüte Gott den Gott, daß er es lese!
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Der Fortschritt geht auf Zinsfuß und Prothese,
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das Uhrwerk in der Hand, die Glorie im Herzen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Mit der Uhr in der Hand“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
199
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht stammt von dem österreichischen Schriftsteller und Satiriker Karl Kraus und kann zeitlich der Epoche des Expressionismus zugeordnet werden, welche von 1910 bis 1925 dauerte.

Karl Kraus kritisiert in dem Gedicht die fortschreitende Technisierung und Automatisierung in der Gesellschaft, besonders im Kontext des Krieges. Der erste Eindruck des Gedichts ist eher dunkel und sarkastisch. Kraus macht sofort klar, dass er die Technologie in Verbindung mit Tod und Zerstörung sieht.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um das Bild einer tickenden Uhr, die als Symbol für die gnadenlose und unaufhaltsame Technologisierung der Welt verwendet wird. Das lyrische Ich reflektiert die Konsequenzen dieser Entwicklung. Es stellt die Menschheit als Opfer ihrer eigenen Erfindungen dar und warnt vor einem nahenden Untergang, symbolisiert durch dunkle Wettersymbolik und das Schlagen dreizehnster Stunde, wenn die Technik außer Kontrolle gerät.

Die Form des Gedichts besteht aus sechs Vierzeilenstrophen. Diese gleichbleibende Form spiegelt die stetige, unaufhaltsame Taktung einer tickenden Uhr wider. Die Sprache des Gedichts ist geprägt von kritischer, zynischer Ironie. Kraus verwendet viele aggressive, harte und unbarmherzige Ausdrücke, um seine dystopische Vision der technisierten Welt hervorzuheben.

Zusammenfassend stellt das Gedicht „Mit der Uhr in der Hand“ eine Kritik an der fortschreitenden Technisierung und den damit verbundenen humanitären, sozialen und kulturellen Konsequenzen dar. Kraus warnt vor einem Kontrollverlust über die eigenen technischen Erfindungen, der in Zerstörung und Chaos münden könnte. Ein wichtiger Aspekt des Gedichts ist die Herausforderung an die Leser, sich über die Risiken des technischen Fortschritts sowie über ihre Rolle und Verantwortung in dieser Entwicklung Gedanken zu machen.

Weitere Informationen

Karl Kraus ist der Autor des Gedichtes „Mit der Uhr in der Hand“. Im Jahr 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1920. In München ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 199 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Karl Kraus ist auch der Autor für Gedichte wie „Absage“, „Abschied und Wiederkehr“ und „Alle Vögel sind schon da“. Zum Autor des Gedichtes „Mit der Uhr in der Hand“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.

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