Grabschrift für ein Hündchen von Karl Kraus

Ein kleiner Hund mit langem Haar, den ich persönlich kannte,
er lachte, wenn man zu ihm sprach, er weinte, weil er stumm war,
sein Blick war Dank der Kreatur, für sich und für die andern.
Da kam ein Wagen ohne Pferd und tötete das Hündchen.
Wer hatte es so eilig, ach, wer hatte es so eilig.
Wie wenig Raum hat der Passant für sich gebraucht im Leben.
Wie eine Schlange konnte er, wenn du ihm pfiffst, erscheinen.
Wer füllt die schmale Stelle aus? Unwürdige sind am Leben,
sie brauchen mehr und dennoch bleibt der Würdige unersetzlich.
10 
Und auch sein Beispiel bessert nicht, sein Opfer nicht die andern,
11 
die immer allzu übrig sind. Der dort ging seines Weges
12 
und starb daran. Die kleine Frau, sie sah sich um und rief ihn,
13 
sie rief und rief und sah ihn nicht, da lag er in der Sonne.
14 
So wenig Stelle nahm er ein. Und so viel Stille bleibet,
15 
wo Leben keine Worte hat.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Grabschrift für ein Hündchen“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
15
Anzahl Wörter
160
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Grabschrift für ein Hündchen“ wurde von Karl Kraus geschrieben, einem österreichischen Schriftsteller und Satiriker, der von 1874 bis 1936 lebte. Das bedeutet, es handelt sich um ein Werk aus der Epoche des Expressionismus und der Weimarer Republik.

Des erstem Eindruck nach ist dieses Gedicht melancholisch und nachdenklich. Es berichtet vom Tod eines kleinen Hundes und lässt breitere Fragen über den Wert des Lebens und den Tod erahnen.

Inhaltlich erzählt das Gedicht vom Leben und Tod eines kleinen Hundes, den der Autor selbst gekannt hat. Der Hund wird dabei die meiste Zeit über idealisiert und fast menschlich charakterisiert. Er starb, weil ein Wagen ihn überfuhr (Vers 4), daran anschließend fragt sich das lyrische Ich, wer es so eilig gehabt habe und ob da nicht eine gewisse Rücksichtslosigkeit vorherrsche (Vers 5). Das Gedicht endet mit der traurigen Szene der Besitzerin, die nach dem Hund ruft und ihn nicht findet und der danach folgenden Stille.

Das lyrische Ich scheint die Wertigkeit und Würde des kleinen Hundes hervorheben zu wollen, es scheint fast so, als suggeriere es das Bild einer wertlosen Welt, in der „Unwürdige“ überleben während „Würdige“, hier repräsentiert durch den Hund, ihr Leben verlieren. Diese Hervorhebung der Unersetzlichkeit des „Würdigen“ könnte als Kritik an der damaligen Gesellschaft gesehen werden.

Formal besteht das Gedicht aus 15 Versen ohne strikte Einhaltung von Reimschema oder Metrik, was typisch für den Expressionismus ist. Die Sprache ist beinahe prosaisch und alltäglich mit einigen emotional aufgeladenen Passagen, die den traurigen Unterton des Gedichts unterstreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Grabschrift für ein Hündchen“ eine melancholische und nachdenkliche Reflexion über den Tod eines geliebten Haustiers ist, die in ihrer Bildsprache und ihrem Ausdruck einen kritischen Blick auf die Gesellschaft wirft.

Weitere Informationen

Karl Kraus ist der Autor des Gedichtes „Grabschrift für ein Hündchen“. Der Autor Karl Kraus wurde 1874 in Jičín (WP), Böhmen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1920. Der Erscheinungsort ist München. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 160 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 15 Versen. Der Dichter Karl Kraus ist auch der Autor für Gedichte wie „Aus jungen Tagen“, „Bange Stunde“ und „Bekenntnis“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Grabschrift für ein Hündchen“ weitere 61 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Karl Kraus (Infos zum Autor)

Zum Autor Karl Kraus sind auf abi-pur.de 61 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.