Auf die Christnacht von Andreas Gryphius

Die seelge Nacht der Wunsch der ersten Zeit
Des Hoffens Zweck/ des Lebens Zuversicht/
Der Thränen Ziel/ das Pfand der Ewigkeit
Die alle Macht der Finsternüß zubricht;
 
Die schöne Nacht begrüst die müde Welt/
Die Adam hat in grimster Angst begehrt/
Als Gott ob ihm ein schweres Urtheil fällt/
Und ihn die Glut des rauen Grims verzehrt.
 
Die Nacht tritt ein/ nach welcher Heva rufft
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Schon jenen Tag/ als sie den Garten ließ
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Aus dem nach Angst nach Schmertzen Pein und Grufft
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Der Schöpffer sie in langes Elend stieß.
 
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Die Nacht bricht an und bringt des Höchsten Kind
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Mit in das Licht das GOTT und Licht von Licht
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Doch als ein Mensch für aller Menschen Sünd
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Sich opffert und vom Fluch uns ledig spricht.
 
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Die Schlang erschrickt/ der Grund der Höll erkracht:
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Die Erde nimt des Weibes Saamen an:
19 
Der Himmel reist; was himlisch singt und wacht/
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Weil der nun da/ der GOTT versöhnen kan.
 
21 
Weil der nun da/ der auf der Schlangen Haupt
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Ob sie die Zähn auf seine Fersen wetzt
23 
Ob schon der Grim des Abgrunds raßt und schnaubt/
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Den steiffen Fuß mit starcken Kräfften setzt.
 
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Weil der nun da/ der ihren Kopff zutritt
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Und/ was uns hielt/ in Band und Ketten legt.
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Weil der nun da/ der durch Verdienst und Bitt
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Des Vatern Hertz zu erster Huld bewegt.
 
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Weil der nun da/ der uns des Himmels-Thor
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Eröffnet/ und den Weg ins Leben weist/
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Durch den uns Gott vergönnt ein gnädig Ohr/
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Durch den uns Gott selbst seine Kinder heist.
 
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Weil der nun da/ der in mein Fleisch verhüllt
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Mein Bruder ist und mir das Heil erwirbt/
35 
Der Noth und Angst und Schmertz und Wehmuth stillt/
36 
Ja selbst vor mich/ damit ich lebe/ stirbt.
 
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Willkommen Nacht! du Schmuck der letzten Zeit
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Der müden Trost/ der Zweck begreister Jahr.
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Willkommen Nacht! du Quell der Ewigkeit
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Der Väter Wunsch/ Verlangen Heilger Schaar.
 
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Willkommen Fürst! du Mann/ du Horn/ du Port
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Gewünschter Ruh/ du Trost der grossen Welt/
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Des Abrahms Wonn/ und Jacobs Heil und Hort
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Der Kirchen Haupt/ des Davids Sohn und Held.
 
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Du Kind und Herr/ der keuschen Jungfer Frucht
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Messia/ Freund und Retter in der Noth;
47 
Des Höchsten Wort/ und Uhrsprung heilger Zucht;
48 
Erlöser/ Felß; Willkommen Mensch und Gott!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.7 KB)

Details zum Gedicht „Auf die Christnacht“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
371
Entstehungsjahr
1616 - 1664
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auf die Christnacht“ des Autors Andreas Gryphius. 1616 wurde Gryphius in Glogau geboren. Zwischen den Jahren 1632 und 1664 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei Gryphius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis etwa 1720. Diesen Zeitraum kann man in drei Abschnitte unterteilen: Frühbarock, Hochbarock und Spätbarock. Der Dreißigjährige Krieg, der in die Zeit von 1618 bis 1648 fiel, gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein wirtschaftlich, politisch und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. So wurden Tod, Gewalt und Zerstörung zum Teil des Alltags der Menschen. Schwere Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die bedrohliche Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest dezimierte die Bevölkerung um ein Drittel. Die Literatur des Barocks ist stark beeinflusst von der Antithetik. Das heißt, die Menschen der damaligen Zeit nahmen ihre Welt als gegensätzlich und widersprüchlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Armut, Krieg und Krankheit geprägt. Bei den Adeligen herrschten dennoch Luxus und Verschwendung. In der vorausgegangenen Epoche (Renaissance) waren noch viele Gedichte in lateinischer Sprache geschrieben worden. Mit dem Barock begann die Zeit der in deutscher Sprache verfassten Literatur. Dichter und Werke dieser Zeit sind vielzählig. Martin Opitz, Andreas Gryphius oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter des Barocks.

Das 371 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Weitere Werke des Dichters Andreas Gryphius sind „An die Welt“, „An sich Selbst“ und „Auff den Sontag deß ernehrenden Versorgers / oder VII. Sontag nach dem Fest der H. Dreyeinigkeit / Marc. 8.“. Zum Autor des Gedichtes „Auf die Christnacht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 461 Gedichte veröffentlicht.

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