Frau Nachtigall von Heinrich Kämpchen
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Und wieder hab’ ich in Maientagen |
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Gelauschet dem Nachtigallenschlagen, |
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Und wieder neu bestrickt mir die Seele |
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Die Sangeskönigin Philomele |
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Mit ihrer tönenden Liebesmacht – |
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Es rauscht der Born, es blitzt der Schacht. – |
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Die alten Mären, die alten Sagen, |
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Sie raunen aus diesem Jubeln und Klagen – |
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Und wieder hält mich die süße Weise |
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Gebannet in ihre Zauberkreise. – |
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Ich möchte hinunter ins Gnomenreich |
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Zur Wassernixe, so kalt und bleich, |
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An meinem Busen, in meinen Armen |
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Will ich die Kalte zur Liebe erwarmen. – |
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Und mehr und mehr noch wächst das Verlangen, |
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Ich möchte zu allem mich unterfangen – |
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Die Elfen belauschen auf weichen Sohlen, |
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Die Sterne vom Himmel herunterholen, |
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Die goldenen Sterne aus ihrer Haft, |
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Ich weiß es, ich fühle dazu die Kraft. – |
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Ich sauge sie aus den funkelnden Tönen, |
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Demantengeschmeide im Reiche des Schönen – |
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Das ist nicht irdische Melodei, |
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So klagt die Elfe, so weint die Fei. – |
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So mochte wohl Heinrich von Ofterdingen, |
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Der große Sänger der Minne, singen, |
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Mit solchen Tönen die Herzen rühren, |
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Die Sehnsucht wecken, die Gluten schüren – |
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So sang wohl Wolfram von Eschenbach |
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Die Leidenschaft und die Liebe wach. – |
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Im Dämmerdunkel, im Waldesschweigen |
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Vernahm ich wieder den Zauberreigen, |
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Das Jubelklagen, das Sehnsuchtssingen, |
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Wie Harfentönen, wie Flötenklingen, |
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Den alten, süßbestrickenden Schall – |
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Das war dein Lied, Frau Nachtigall. – |
Details zum Gedicht „Frau Nachtigall“
Heinrich Kämpchen
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206
1909
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht, das es zu interpretieren gilt, trägt den Titel „Frau Nachtigall“ und stammt von dem Dichter Heinrich Kämpchen, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert aktiv war. Kämpchens Werk ist in der Epoche des Realismus einzuordnen.
Bei einem ersten Überblick erweckt das Gedicht einen zauberhaften, fast märchenhaften Eindruck. Es sind viele Begriffe und Bilder aus dem Kontext der Natur und Mythologie vorhanden, und man kann fast eine ruhige, entspannte Stimmung wahrnehmen.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht um die Beobachtungen und Gefühle des lyrischen Ichs, das dem Gesang der Nachtigall lauscht - eine Begegnung, die das Ich mit großer Freude und Sehnsucht erfüllt. Der Gesang der Nachtigall scheint auf das Ich eine geradezu betörende Wirkung zu haben: Es wird davon „umringt“, „gebannt“ und „bestrickt“. Die kraftvollen, hellen Töne der Nachtigall lösen eine Flut von assoziativen Bildern und Sehnsüchten aus, die das Ich in die Sphäre des Märchenhaften führen. Dabei greift das lyrische Ich die Motive aus alten Sagen und Mären auf und stellt sich selbst in die Tradition der Minnesänger und Dichter wie Heinrich von Ofterdingen und Wolfram von Eschenbach.
In Bezug auf Form und Sprache hat Kämpchen ein auffallend reiches, bildhaftes Vokabular gewählt. Die verwendeten Bilder sind stark von Natur und Mythologie geprägt. Die Nachtigall, der Brunnen, der Sternenhimmel, die Nixe und die Elfen sind Beispiele dafür. Es ist auch eine intuitive, fast musikalische Struktur bemerkbar, die den rhythmischen Gesang der Nachtigall nachzuahmen scheint.
Indirekt betont das Gedicht auch das Potential der Musik bzw. des Gesangs, Emotionen hervorzurufen, die Seele zu berühren und sie in andere Sphären zu entführen. Im weiteren Sinne ist das Gedicht also auch eine Verneigung vor der transzendenten Macht der Kunst, sei es Musik oder Dichtung.
Abschließend kann man sagen, dass Heinrich Kämpchen in „Frau Nachtigall“ auf beeindruckende Weise die emotionale und imaginative Kraft von Natur und Kunst, repräsentiert durch den Gesang der Nachtigall, hervorhebt und feiert.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Frau Nachtigall“ ist Heinrich Kämpchen. Im Jahr 1847 wurde Kämpchen in Altendorf an der Ruhr geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Der Erscheinungsort ist Bochum. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 206 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 36 Versen. Die Gedichte „Am Grabe der Mutter“, „Am Kochbrunnen in Wiesbaden“ und „Am Marienbrönnlein“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Kämpchen. Zum Autor des Gedichtes „Frau Nachtigall“ haben wir auf abi-pur.de weitere 165 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Heinrich Kämpchen sind auf abi-pur.de 165 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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