Sendschreiben von Johann Wolfgang von Goethe

Mein altes Evangelium
Bring ich dir hier schon wieder;
Doch ist mir's wohl um mich herum,
Darum schreib ich dir's nieder.
 
Ich holte Gold, ich holte Wein,
Stellt alles da zusammen.
Da, dacht ich, da wird Wärme sein,
Geht mein Gemäld in Flammen!
 
Auch tät ich bei der Schätze Flor
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Viel Glut und Reichtum schwärmen;
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Doch Menschenfleisch geht allem vor,
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Um sich daran zu wärmen.
 
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Und wer nicht richtet, sondern fleißig ist,
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Wie ich bin und wie du bist,
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Den belohnt auch die Arbeit mit Genuß;
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Nichts wird auf der Welt ihm Überdruß.
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Denn er blecket nicht mit stumpfem Zahn
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Lang Gesottnes und Gebratnes an,
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Das er, wenn er noch so sittlich kaut,
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Endlich doch nicht sonderlich verdaut;
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Sondern faßt ein tüchtig Schinkenbein,
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Haut da gut taglöhnermäßig drein,
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Füllt bis oben gierig den Pokal,
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Trinkt, und wischt das Maul wohl nicht einmal.
 
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Sieh, so ist Natur ein Buch lebendig,
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Unverstanden, doch nicht unverständlich:
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Denn dein Herz hat viel und groß Begehr,
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Was wohl in der Welt für Freude wär,
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Allen Sonnenschein und alle Bäume,
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Alles Meergestad und alle Träume
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In dein Herz zu sammeln miteinander,
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Wie die Welt durchwühlend Banks, Solander.
 
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Und wie muß dir's werden, wenn du fühlest,
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Daß du alles in dir selbst erzielest,
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Freude hast an deiner Frau und Hunden,
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Als noch keiner in Elysium gefunden,
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Als er da mit Schatten lieblich schweifte
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Und an goldne Gottgestalten streifte.
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Nicht in Rom, in Magna Graecia,
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Dir im Herzen ist die Wonne da!
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Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,
42 
Findt im Stengelglas wohl eine Welt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Sendschreiben“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
258
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sendschreiben“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Der Autor Johann Wolfgang von Goethe wurde 1749 in Frankfurt am Main geboren. Zwischen den Jahren 1765 und 1832 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Zu den bedeutenden Motiven der Weimarer Klassik gehören unter anderem Menschlichkeit und Toleranz. In der Gestaltung wurde das Wesentliche, Gültige, Gesetzmäßige sowie die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oftmals roh und derb ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 258 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Wolfgang von Goethe sind „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Sendschreiben“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1617 Gedichte veröffentlicht.

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