Die verletzte Schäferin von Richard Dehmel

Bittre Freude, süßes Leid,
was ists, das bleibt allezeit?
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
o verletzte Schäferinne!
 
Hitze, Kälte, Tag und Nacht
sind auf Wechsel stets bedacht;
Früling, Sommer, Herbst und Winter
stoßen stets einander hinter.
 
Bittre Freude, süßes Leid,
10 
was ists, das bleibt allezeit?
11 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
12 
o verletzte Schäferinne!
 
13 
Regen, Stürme, Schnee und Schein
14 
sagen, daß sie flüchtig sein;
15 
Glut und Luft und Flut und Erden
16 
sind stets nichts, daß sie was werden.
 
17 
Bittre Freude, süßes Leid,
18 
was ists, das bleibt allezeit?
19 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
20 
o verletzte Schäferinne!
 
21 
Unser Leib und was dran ist
22 
schleißt hin, wie du täglich siehst.
23 
Was du, Liebste, hast verloren,
24 
wars zur Ewigkeit geboren?
 
25 
Bittre Freude, süßes Leid,
26 
was ists, das bleibt allezeit?
27 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
28 
o verletzte Schäferinne!
 
29 
Geben, Schöne, kan ich dir,
30 
was du hast genommen mir.
31 
Was hab' ich dir können nehmen,
32 
daß du dich so müßtest schämen?
 
33 
Bittre Freude, süßes Leid,
34 
nichts ist, das bleibt allezeit.
35 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
36 
o verletzte Schäferinne!
 
37 
Es ist nur ein bloßer Wahn,
38 
daß man uns drum schelten kan.
39 
Laß uns nehmen, laß uns geben,
40 
was uns giebt und nimmt das Leben!
 
41 
Bittre Freude, süßes Leid,
42 
was ists, das bleibt allezeit?
43 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
44 
o verletzte Schäferinne!
 
45 
Zwar, was lieb ist, das bringt Leid,
46 
wenn es folgt der Flucht der Zeit.
47 
Aber wir sind allen Schätzen,
48 
weil wir noch sein, vorzusetzen.
 
49 
Bittre Freude, süßes Leid,
50 
was ists, das bleibt allezeit?
51 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
52 
o verletzte Schäferinne!
 
53 
Was sich einmal von uns bricht,
54 
um das kömt man zweimal nicht.
55 
Komme, laß uns ferner lieben!
56 
Lieben steht stets frei zu üben.
 
57 
Bittre Freude, süßes Leid,
58 
was ists, das bleibt allezeit?
59 
Du nur bleibst auf deinem Sinne,
60 
o verletzte Schäferinne!
 
61 
Brauche deiner Schönheit Frucht!
62 
Sie und du sein aus der Flucht.
63 
Diß, um was du dich betrübest,
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ist doch, was du dennoch liebest.
 
65 
Bittre Freude, süßes Leid,
66 
Nichts ist, das bleibt allezeit.
67 
So gebeut nun deinem Sinne,
68 
o versöhnte Schäferinne!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.9 KB)

Details zum Gedicht „Die verletzte Schäferin“

Anzahl Strophen
17
Anzahl Verse
68
Anzahl Wörter
342
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Die verletzte Schäferin“. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Zwischen den Jahren 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 68 Versen mit insgesamt 17 Strophen und umfasst dabei 342 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Richard Dehmel sind „Antwort“, „Auf der Reise“ und „Aufblick“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die verletzte Schäferin“ weitere 522 Gedichte vor.

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