Mondlicht greift durch bleiche Gardinen von Richard Dehmel

Mondlicht greift durch bleiche Gardinen,
legt Flecke auf ein Himmelbette;
zwei Menschen sehn's mit bleichen Mienen.
Sehn die Flecke in schleichender Kette
grell ein Kind, das schläft, umkränzen;
es schläft mit offnen Augenlidern.
Die stillen Augensterne glänzen;
glänzen weiß wie blindes Eis.
Ein Weib schluchzt auf mit allen Gliedern.
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Wie aus einem Abgrund gerissen
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starrt ihr schwarzes Haar aus den Kissen,
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haucht sie heiß:
 
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Mir lebt dies Kind, und nicht von Dir;
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ich lieg' in Dankbarkeit vor dir.
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Ich lag bis heute wie unter Steinen,
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wie unter einer Sticklast Schnee;
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du bist gekommen, nun kann ich weinen.
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Jetzt aber - geh!
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Ich will vor dir kein Klagweib sein;
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laß mich, solang' ich lieg', allein.
 
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Der bleiche Mann im Vollmondlicht
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neigt sein unbewegtes Gesicht.
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Sein Blick weilt wie in weiten Fernen
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auf den blinden Augensternen.
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Und er spricht:
 
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Das Kind, das du geboren hast,
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sei deiner Seele keine Last:
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sieh, wie sein Schlaf das Helle trinkt!
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Es scheint ein Licht durch unsre Welt zu wehen,
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das alles andere, gröbere Licht beschwingt;
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in ihm wird dieses Kind aufgehen.
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Es wird die irdische Qual nicht sehen.
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Wir werden's leiten wie auf Wolkenauen.
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Es wird das innere Weltlicht schauen.
 
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Er küßt sie, geht - sein Schatten streift das Kind;
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zwei Menschen sehn, daß sie auf Erden sind.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Mondlicht greift durch bleiche Gardinen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
213
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Mondlicht greift durch bleiche Gardinen“. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1879 bis 1920 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bei Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 213 Worte. Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Antwort“, „Auf der Reise“ und „Aufblick“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Mondlicht greift durch bleiche Gardinen“ weitere 522 Gedichte vor.

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