Die hohen Kiefern können noch nicht rauschen von Richard Dehmel

Die hohen Kiefern können noch nicht rauschen;
sie schweigen schneebedrückt. Zwei Menschen lauschen,
wenn manchmal durch den schwerbeladnen Wald
das Eis der fernen Seeen knallt.
Dann scheinen tiefer noch gesenkt
die dunkeln, weißgesäumten Äste,
um die das Frühlicht machtlos hängt.
Ein Mann spricht mit ergriffner Geste:
 
Das ist wie eine Versammlung von Greisen
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um ein fremdes Täuflingsbette.
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Keiner rührt mit seinen weisen
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Händen an die Schicksalskette.
 
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Sie lassen stumm das Unverwandte
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zwischen ihren Seelen schweben.
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Sie segnen fromm das Unbekannte:
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es wehrt dem Überdruß am Leben.
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Sie schenken jedem Morgengrauen
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ohne Anspruch ihr Vertrauen.
 
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Durch den schwer beladenen Wald
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geht auf einmal ein Schattenwanken;
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von den Zweigen, die noch schwanken,
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fällt der Schnee, zu Schlacken geballt.
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Über ein Weib kommt ein Gedanke:
 
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Lukas, du sollst dich nicht verstellen!
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Wenn unter diesen starren Bäumen,
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so oft der Eisschreck draußen schallt,
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Echos wie aus schweren Träumen
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In mein warmes Leben kalt
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diesen Todesschauer bellen,
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daß wir unser Glück versäumen
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dann sollst du nicht mit solchen ausgedachten
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Bildern mich zu prüfen trachten,
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dann sollst du mit mir fühlen und denken:
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wir wollen Nichts und Nichts dem Schicksal schenken!
 
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Die hohen Kiefern können noch nicht rauschen.
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Zwei Menschen scheinen auf ihr Herz zu lauschen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Die hohen Kiefern können noch nicht rauschen“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
200
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die hohen Kiefern können noch nicht rauschen“ des Autors Richard Dehmel. Im Jahr 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Zwischen den Jahren 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 200 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Der Dichter Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Büßende Liebe“, „Chinesisches Trinklied“ und „Dann“. Zum Autor des Gedichtes „Die hohen Kiefern können noch nicht rauschen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.

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