Die Heimkehr von Heinrich Kämpchen

Dem Kewelohbauer vom Ruhrastrand,
So kündet’s die Sage noch heut’,
An einem Sonntag die Frau verschwand,
Es war um die Frühmettenzeit. –
 
Von Zwergen geraubt, im Bergesschacht,
Tief unten in Kluft und Gestein,
Hat sieben Jahre die Frau verbracht,
Da gelingt es ihr sich zu befrei’n. –
 
Doch sind unterdes die Wangen rot
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Verblichen und welk ward der Leib –
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Ihr Mann, bedrückt von des Wittums Not,
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Nahm längst sich ein anderes Weib. –
 
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Und als sie kommt zum heimischen Herd,
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Die andere schaltet nun dort,
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Da wird dem Weiblein der Platz verwehrt,
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Denn keiner erkennt sie am Ort. –
 
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Nur der Spitz, der immer sonst wütend kläfft,
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Wenn Bettler dem Hofe sich nah’n,
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Uebt heute auf einmal das Wedelgeschäft,
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Als wollt’ er das Weiblein empfah’n. –
 
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Und sonderbar, auch die Annemarei,
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Die liebliche Tochter vom Haus,
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Sie kommt vom Ofenwinkel herbei
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Und schmiegt sich der Alten am Flaus. –
 
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Doch die Junge ruft: „Mein Töchterlein,
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Komm’ zurück von der Frau geschwind!“
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Und die Alte drauf: „Wer mag wohl sein
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Die Nächste von uns dem Kind?“
 
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Da öffnet sich langsam die Stubentür,
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Die niedere, morsch schon und braun,
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Und der Kewelohbauer tritt selber herfür,
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Der Mann von zwei lebenden Frau’n. –
 
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Er stutzt und starrt – doch kein Laut ertönt,
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Kein Ruf, kein hallender Schrei –
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Der Bauer ist fest und stark gewöhnt,
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Er sagt nur: „Annemarei.“ –
 
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Ja, ich bin’s, Hansjörg, doch nimmer will
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Ich stören hier deinen Bund,
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Gib’ mir ein Stübchen nur klein und still
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Und ein wenig Essen dem Mund. –
 
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Gib’ mir mein herziges Töchterlein,
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Das ich froh zur Welt dir gebracht,
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Gönn’ mir noch ein bischen Sonnenschein
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Nach der siebenjährigen Nacht. –
 
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Und so geschah’s. – Doch zwei Monde nur,
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Da starb schon die arme Frau,
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Da trug man sie nach der Totenflur
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Hinab durch die blühende Au’. –
 
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Verschollen ihr Grab, kein Kreuz, kein Stein
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Zeigt an, wo die Wallerin ruht,
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Die Heimatsage nur ganz allein
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Hält treulich noch Wache und Hut. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Heimkehr“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
321
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Heimkehr“ wurde von Heinrich Kämpchen verfasst. Es lässt sich zeitlich in die Zeit zwischen dem 23. Mai 1847 und dem 06. März 1912 einordnen.

Beim Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck einer mysteriösen, fast schon gruseligen Geschichte. Es scheint um das plötzliche Verschwinden einer Frau und ihre Rückkehr nach sieben Jahren zu gehen. Es wird deutlich, dass die Frau von Zwergen im Berg festgehalten wurde, und während ihrer Gefangenschaft hat sich ihr Ehemann ein anderes Weib genommen.

Der Inhalt des Gedichts erzählt von der Rückkehr der Frau, die nach ihrer Befreiung zu ihrem ursprünglichen Zuhause zurückkehrt. Allerdings wird sie dort nicht erkannt und kann ihren Platz nicht einnehmen, da sich der Ehemann bereits eine neue Frau genommen hat. Niemand erkennt sie bis auf den Hofhund, der sie freundlich empfängt. Auch die Tochter des Hauses, Annemarei, zeigt Sympathie und Zuneigung für die alte Frau. Der Ehemann ist verwirrt und erstarrt, spricht aber den Namen Annemarei aus.

Das lyrische Ich des Gedichts möchte vermutlich auf das Schicksal und die Ungerechtigkeit der Frau hinweisen, die nach Jahren der Gefangenschaft und Leid nur ein kleines Stübchen und etwas Essen als Bleibe bittet. Es zeigt die Sehnsucht der Frau nach ihrem geliebten Kind und bittet darum, noch ein wenig Glück in ihrem Leben haben zu dürfen. Die Geschichte endet traurig mit dem Tod der Frau und ihrem anonymen Grab, das nur durch eine Heimatsage im Gedächtnis bleibt.

Das Gedicht besteht aus 13 Strophen mit jeweils 4 Versen. Die Struktur des Gedichts ist einfach und klar. Es gibt keinen erkennbaren Reim oder eine regelmäßige Metrik. Die Sprache des Gedichts ist eher einfach gehalten, was die Erzählung und die Handlung leicht verständlich macht. Die Beschreibung und die Atmosphäre des Gedichts sind jedoch eher düster und geheimnisvoll, was dem Inhalt und der Thematik entspricht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Heimkehr“ ist Heinrich Kämpchen. 1847 wurde Kämpchen in Altendorf an der Ruhr geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Bochum ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 321 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 52 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Kämpchen sind „Abend am Rhein“, „Abendläuten“ und „Altendorf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Heimkehr“ weitere 165 Gedichte vor.

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