Wenn ich ihn nur habe von Novalis

Wenn ich ihn nur habe,
wenn er mein nur ist,
wenn mein Herz bis hin zum Grabe
seine Treue nie vergißt,
weiß ich nichts von Leide,
fühle nichts als Andacht, Lieb und Freude.
 
Wenn ich ihn nur habe,
laß ich alles gern,
folg an meinem Wanderstabe
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treugesinnt nur meinem Herrn,
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lasse still die andern
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breite, lichte, volle Straßen wandern.
 
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Wenn ich ihn nur habe,
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schlaf ich fröhlich ein;
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ewig wird zu süßer Labe
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seines Herzens Flut mir sein,
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die mit sanftem Zwingen
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alles wird erweichen und durchdringen.
 
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Wenn ich ihn nur habe,
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hab ich auch die Welt;
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selig wie ein Himmelsknabe,
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der der Jungfrau Schleier hält,
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hingesenkt im Schauen,
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kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.
 
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Wo ich ihn nur habe,
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hab ich auch die Welt;
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selig wie ein Himmelsknabe,
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der der Jungfrau Schleier hält,
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hingesenkt im Schauen,
30 
kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.
 
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Wo ich ihn nur habe,
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ist mein Vaterland;
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und es fällt mir jede Gabe
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wie ein Erbteil in die Hand,
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längst vermißte Brüder
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find ich nun in seinen Jüngern wieder.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Wenn ich ihn nur habe“

Autor
Novalis
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
175
Entstehungsjahr
1772 - 1801
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Novalis, einem deutschen Dichter und Schriftsteller der Frühromantik. Er lebte von 1772 bis 1801.

Beim ersten Lesen des Gedichtes wird schnell klar, dass es das Gefühl tiefer Leidenschaft und Hingabe zu einer imaginären oder realen Person thematisiert. Das lyrische Ich ist darin fokussiert und verleiht seinen Gedanken, Gefühlen und Hoffnungen Ausdruck.

Inhaltlich dreht sich das Gedicht um das lyrische Ich, das seine absoluten Bedingungen und Wünsche bezüglich der Beziehung zu „ihm“ ausdrückt. Es geht darum, dass das lyrische Ich seine völlige Unterwerfung und Hingabe zu „ihm“ betont und unterstreicht, dass es absolut zufrieden und erfüllt ist, wenn es „ihn“ nur hat und ihm gehört. Allgemein kann diese Hingabe seine Liebe, seine Bewunderung, seine Anerkennung oder seine spiritualität bedeutet.

Hinsichtlich der Form und Sprache des Gedichtes fällt auf, dass es aus sechs gebauten Strophen mit je sechs Versen besteht und eine klare, leicht verständliche Sprache aufweist. Der Stil ist dabei leidenschaftlich und emotional. Jede Strophe beginnt mit der gleichen Zeile: „Wenn ich ihn nur habe“ oder „Wo ich ihn nur habe“, was eine Art Refrain erzeugt.

Die Wiederholung dieser Phrase gibt dem Gedicht eine rhythmische Struktur und betont die Bedeutung dieser Aussage. Das Gedicht verwendet zudem eine reiche und bildreiche Sprache, beispielsweise metaphern wie „Himmelsknabe“, „Der der Jungfrau Schleier hält“, was die emotionale Intensität unterstreicht und dem Leser hilft, die tief empfundenen Gefühle des lyrischen Ichs zu verstehen.

Schlussfolgernd ist das Gedicht eine Ausdrucksform der absoluten Hingabe und Verehrung, welche das lyrische Ich gegenüber „ihm“ empfindet und unterstreicht die tiefe Zufriedenheit und das Glücksgefühl, das es durch die Beziehung zu ihm empfindet.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Wenn ich ihn nur habe“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Novalis. Geboren wurde Novalis im Jahr 1772 . Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1788 und 1801. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Novalis handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert werden. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. So gilt beispielsweise die Blaue Blume als das zentrale Motiv der Romantik. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Literatur der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Tod, Vergänglichkeit und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Romantiker streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 175 Worte. Novalis ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Sänger geht auf rauhen Pfaden“, „Wenn die Rosen blühen“ und „Lied des Einsiedlers“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wenn ich ihn nur habe“ weitere 14 Gedichte vor.

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