Hardenberg, Friedrich von (Novalis) - Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren (Analyse)

Schlagwörter:
Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, Gedichtinterpretation, Analyse, Novalis, Referat, Hausaufgabe, Hardenberg, Friedrich von (Novalis) - Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren (Analyse)
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Analyse des Gedichtes "Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren" - Friedrich von Hardenberg (Novalis)

Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg) - Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren (1800)

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben,
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ew´gen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

Gliederung / Inhalt

Kurzüberblick - Autor und Gedicht

Novalis wurde am 2. Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt geboren und verstarb am 25. März 1801 in Weißenfels. Sein eigentlicher Name lautete Georg Philipp Friedrich von Hardenberg. Er war ein deutscher Schriftsteller der Frühromantik und Philosoph. Der rastlose, kreative und reflektierte Friedrich von Hardenberg gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Frühromantik. Nur wenige Jahre hatte er, um seine Fähigkeiten zu entdecken, zu erkennen und weiterzuentwickeln. Der mit umfassenden Kenntnissen der Naturwissenschaften, des Rechts, der Philosophie, Politik und Wirtschaft ausgestattete Friedrich von Hardenberg wurde früh schreibend aktiv. Schon das Jugendwerk macht deutlich, dass der Autor bereits früh ausgesprochen belesen und gebildet war. Sein Werk hat enge Verbindungen zu seiner beruflichen Tätigkeit, einschließlich der Zeit seines Studiums, denn abgesehen von den Dichtungen, den Fragmenten und Essays, ist eine erstaunliche Fülle von Aufzeichnungen zu Geschichte und Politik, Philosophie, Religion, Ästhetik und Naturwissenschaftsgeschichte bekannt.

Novalis` Gedicht wendet sich gegen den Anspruch der Aufklärung, alles mit Hilfe der Mathematik (Zahlen und Figuren) erfassen zu können. Musik und Liebe (singen und küssen) reichen weiter. Im Gegensatz zur klassischen Physik der Aufklärungszeit ist innerhalb der modernen Physik des 20. Jahrhunderts mit der Superstringtheorie der Rahmen auch zur Musikalität (schwingende Saiten repräsentieren die Quantenzustände der Elementarteilchen) und zur kosmischen Liebe durch Gravitation hin erweitert worden (Gravitonen bilden die Quanten der Elementaranregungen der Strings). Mit der Erweiterung der klassischen Physik in den Bereich des Möglichen hinein (freies Leben) durch die Quantentheorie, sind die klassischen Beschränkungen zudem reflektiert worden (haben sich zurück begeben). Die Interferenzen von Licht und Schatten sind in den verschränkten Quantenzuständen klar geworden. Und mit der allgemeinen Symmetrie der Naturgesetze knüpft die Physik wieder an das Eine in den Mythen an (erkennt die ewgen Weltgeschichten). Vor dem Wirkungsquantum (dem geheimen Wort) scheint das verkehrte Wesen der klassischen Physik bereits fortgeflogen zu sein. Für das 21. Jahrhundert zeichnet sich allerdings eine Renaissance der klassischen Physik ab.

  • Autor: Friedrich von Hardenberg (Novalis)
  • 2. Mai 1772 bis 25. März 1801
  • Studium in Jena, Leipzig, Wittenberg/ Bergakademie in Freiberg
  • Werk: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“
    → Epoche: Frühromantik
    → Handlung: gegen Aufklärung, denn sie bestimmt nicht das Leben
  • kein romantisches Stimmungsgedicht à sondern: ein klar strukturiertes Gedankengedicht

Das Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ befindet sich im Romanteil Heinrich von Ofterdingen. Zahlen und Figuren werden vom Poeten heruntergestuft. Dies ist für die Zeit, aus der das Gedicht stammt, ungewöhnlich. Insbesondere, da der Poet von Hardenberg, nicht nur Poet, sondern auch Philosoph und naturwissenschaftlich interessiert ist. Für die Dichter der Zeit der Aufklärung war der Zugang zum Kosmos und Universum stets fest an die Rationalität gebunden. Die Romantik und allen voran der Dichter von Hardenberg, brechen mit diesem Streben. Zwei Jahre bevor von Hardenberg das Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ verfasst hat, rühmte er in seinem Monolog noch den Zauber, den Glanz und die Schönheit der mathematischen Formeln:

Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache wie mit den mathematischen Formeln sei — Sie machen eine Welt für sich aus — Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und eben darum sind sie so ausdrucksvoll —- eben darum spiegelt sich in ihnen das Verhältnißspiel der Dinge.

Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg misstraut den Gelehrten. Für ihn ist der Weg zum Verständnis der Welt nicht ausschließlich in rationalen Dingen zu finden. Er sucht und findet seinen persönlichen Schlüssen zum Verständnis der Welt bei Künstlern, Sängern sowie bei den liebenden Menschen. Ein solcher Tiefgang ist für einen naturwissenschaftlich interessierten Menschen zu dieser Zeit sehr ungewöhnlich.

[zurück zum Inhaltsverzeichnis]

Analyse des Gedichtes

In dem Gedicht "Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren" von Novalis aus dem Jahr 1800 übt der Autor Kritik an einer Überbewertung der Wissenschaften und des reinen Gebrauchs des Verstandes sowie an einer Unterschätzung der Gefühle und des Irrationalen/Tiefergehenden.

Das Gedicht besteht aus einer einzigen Strophe, welche aus zwölf Versen besteht. Das Gedicht geht in logischer Folge einem geschlossenen Gedankengang nach. Bei dem verwendeten Versmaß handelt es sich um einen jambischen Vierheber. Es sind Reime vorhanden. Als Reimschema, wird der klassische Paarreim in dem Gedicht verwendet. Dieser besteht aus jeweils zwei aufeinanderfolgenden Versen, also aa, bb, cc usw. Das gesamte Gedicht ist aus einem einzigen konditionalen Satzgefüge gebildet.

Das Gedicht besteht aus zwölf Versen, die je paarweise aufgebaut sind und damit Paarreime bilden. Das Wort "wenn" tritt gehäuft auf (Kumulation), nämlich zu Beginn der Verse 1,3,5 und 7. Bis Vers 10 werden Bedingungen genannt für die letzten beiden Verse. ("Wenn (...) Wenn (...) Und (...) Dann (...)") In den ersten beiden Verspaaren bezweifelt Novalis den Rationalismus und den Verstand, also die Prinzipien der Aufklärung, indem er deren Bedeutung in Frage stellt.

Das Gedicht besteht somit aus vier Nebensätzen, welche mit dem Wort „wenn“ gebildet werden. Dies entspricht dem rhetorischen Mittel der Anapher. Diese Nebensätze gehen stets einem Satz mit „dann“ voraus. Die „wenn Sätze“ bilden mit den „dann Sätzen“ eine grammatikalisch logische und korrekte Einheit, nach dem sogenannten Konsekutiv Prinzip.

Er stellt in Frage, ob man mit Mathematik ("Zahlen und Figuren", V1) das Wesen der Dinge ("Kreaturen"), die Welt, erklären kann und stellt die Kunst ("Singen oder Küssen", V3) über die Wissenschaft/Bildung ("Tiefgelehrten", V4; dieses Wort hat zudem eine negative, eher lächerliche Konnotation, da tiefgelehrt nach "zu gelehrt" klingt, nach "Fachidiot", oder klanglich nach "tiefschwarz", also vernarrt, dogmatisch).

Vers 5 und 6 beinhalten einen Gegensatz zwischen der "Welt" und dem "freien Leben" (V5), auf der einen Seite die Welt und auf der anderen Seite das freie Leben. Da von "zurück begeben" (V6) die Rede ist, hat es dieses "freie Leben" schon einmal gegeben und der Dichter wünscht es sich zurück, also ist damit wahrscheinlich das verklärte, mystisch-romantische Weltbild vor der Aufklärung gemeint, das von der damals aktuellen "Welt", dem (Zeitalter der) Aufklärung, vertrieben wurde. In den nächsten beiden Versen (7 und 8) greift der Autor die Lichtmetaphorik der Aufklärung auf, indem er zwischen "Licht", also Rationalismus im Sinne der Aufklärung und "echter Klarheit", also einen vermutlich um romantische Elemente erweiterten Aufklärungsbegriff, differenziert. Dies bedeutet nicht nur im Licht, wo man die Wahrheit eher findet, sondern auch im Verborgenen, Tiefgründigen, nicht sofort Zugänglichen danach zu suchen. Diese "echte Klarheit" (vgl. Jaspers "wahre Aufklärung") stellt Novalis in den Vordergrund.

Anschließend, in Vers 9 und 10, gibt Novalis ein Beispiel dafür, wo man seiner Meinung nach "echte Klarheit" finden kann, nämlich in "Märchen und Gedichten" (V9). Im Gegensatz zur Wissenschaft seien hier die "wahren Weltgeschichten" (V10) zu finden. Schließlich legt der Autor in den letzten beiden Versen (11 und 12) die Folgerung aus den zuvor gestellten Bedingungen dar, die auch schon in den vorhergehenden Versen angedeutet wurde: das Ziel, das Hintergründige, das scheinbar Unbedeutende zu sehen, das von der Aufklärung bzw. der Wissenschaft verdrängt wurde, die das Wesen der Welt verkehrt hätten (vgl. V12). Dies geschehe (wie bei Eichendorffs "Wünschelrute") durch ein Geheimwort (vgl. V11). Der Dichterei käme damit die Bedeutung zu, dieses zu dichten. Sehr auffällig ist die Kumulation von Worten, die mit W, V oder F beginnen, am meisten jedoch mit W. So ergibt sich z.B. eine quasi Alliteration ("verkehrte Wesen fort", V12), die die Bedeutung des Gesagten verstärkt. Dies ist auch bei einer anderen Alliteration ("Sind Schlüssel", V2) sowie einer Anapher ("Dann fliegt (...) das ganze(...)" vgl. V11 und 12) der Fall.

Die W/F/V-Kumulation lässt sich folgendermaßen deuten: Fragewörter beginnen fast immer mit W und so könnte dies die Fragen Novalis' an die Zukunft der Romantik ausdrücken und die Hoffnungen daran. Abschließend lässt sich konstatieren, dass der Dichter Novalis in diesem Gedicht seinem Wunsch, die reine Aufklärung bzw. der reine Rationalismus möge durch die Romantik/Empfindsamkeit erweitert werden, Ausdruck verliehen hat, da er nur in ihr den Weg zum wahren Verständnis der Welt sieht.

[zurück zum Inhaltsverzeichnis]

Aufbau des Gedichtes

  • besteht aus einer Strophe und 12 Zeilen
  • vierhebiger Jambus
  • Paarreim: Form der Reimbildung mit jeweils zwei aufeinanderfolgenden Versen (aa bb cc)
  • besteht aus einem einzigen konditionalen Satzgefüge:
    → die fünf Nebensätze mit „Wenn“ bilden mit dem „Dann-Satz“ einen logisch-grammatischen Gebilde (sprachliche Mittel: Anapher)
  • nach den Bedingungen erfolgt ein Konsequenz

[zurück zum Inhaltsverzeichnis]

Interpretation in Stichpunkten

(1./2. Vers)

  • Kritik an den überzogenen Anspruch der Naturwissenschaft-->„Zahlen und Figuren“ (spr. Mittel: Antithese) seien der „Schlüssel“ zum Verständnis der Welt und des Leben (Aufklärung)
    → jedoch nicht für Novalis

In den ersten beiden Versen des Gedichts „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ wird Kritik am Anspruch der Naturwissenschaften und deren rational quantitativen Methoden, die Welt erklären zu können, geübt. Dies betrifft auch die Verwendung von Zahlen und Figuren für Formeln und geometrische Strukturen. Durch die Wörter Schlüssel und Kreaturen wird sich direkt zu Beginn des Gedichts von der Wissenschaft in Richtung Mystik und Religion bewegt. Zu der Zeit, in der das Gedicht verfasst wurde, hatten die Naturwissenschaften im Allgemeinen einen äußerst hohen Stellenwert und Naturwissenschaftler waren in der Gesellschaft sehr angesehen. Allein aus diesem Grund ist eine Kritik an der Naturwissenschaft sehr ungewöhnlich für das 18. Jahrhundert.

(3./4. Vers)

  • „Tiefgelehrten“ = Vertreter der rationalen Wissenschaft
  • Musik und Liebe = „singen oder küssen“
  • Künstler und Liebenden haben im Gegensatz zu den Wissenschaftlern mehr Weisheit

Im dritten und vierten Vers werden die Tiefgelehrten kritisiert. Es wird behauptet, dass die die küssen und lieben über ein größeres Wissen verfügen und dieses auch anwenden können.

(5./6. Vers)

  • Problem „Welt“ → 2 Bedeutungen (im 18. Jh.)
  • 1. Bedeutung:
    • die gebildet,bürgerliche Welt der Gesellschaft der Konventionen → „verkehrte“ Welt stellt einen Gegensatz zum freien, unverfälschten Leben dar
  • 2. Bedeutung:
    • "Schöpfung":natürlich-göttliche Ordnung
      → doch aufgrund der Aufklärung: Herausreißen der Menschen aus der heilen Ursprungswelt
      → Ziel der Geschichte: Widerherstellung des ursprünglichen Zustandes

Im fünften und sechsten Vers gibt es eine ausführliche, zweiteilige Aussage über die Bedeutung der Welt aus der im 18 Jahrhundert üblichen Sichtweise. Sie kann einerseits die gebildete adlig – bürgerliche Welt sein und somit einen Gegensatz zum zwanglosen freien Leben darstellen oder aber als natürlich – göttliche Schöpfung angesehen werden. Das Ziel des Gedichts ist es daher, den ursprünglichen, paradiesischen Zustand der Welt wiederherzustellen.

(7./8. Vers)

  • für Aufklärung: Licht ist das Bild für die vernunftgemäße Erkenntnis das Dunkle für Unwissen, Irrtum, Aberglauben (spr. Mittel: Antithese) für Romantiker: Dunkle= die Nacht--> wahres Erkennen, intuitives Wissen, mystische Weisheiten fördert unter anderem die Poesie, die kein Licht des Verstandes benötigt Kombination beider Formen des Weltverstehens: echte Klarheit des umfassenden Weltverstehens

Im siebten und achten Vers wird auf das Licht und dessen Bedeutung eingegangen. Das Licht wird hierbei als Bild für die Verstandes Erkenntnis verwendet. Diese ist typisch für die Aufklärung. Mit der Fackel der Vernunft tritt das Licht der Wahrheit in das Dunkel des Aberglaubens und des Fanatismus, des Unwissens und des Irrtums. Im Gegensatz zur Aufklärung war in der Romantik das Dunkle und die Nacht nichts Negatives. Im Gegenteil die Nacht bot die Möglichkeit der wahren Erkenntnis sowie intuitivem Wissen.

(9./10. Vers)

  • Märchen und Poesie → Ort der ewigen Wahrheit und „wahren Weltgeschichten“

Im neunten und zehnten Vers geht das Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ seinem Höhepunkt entgegen. Es wird die Behauptung gebracht, dass die wahren Weltgeschichten nicht in den gelehrten Wissenschaften, den Naturwissenschaften, zu finden sind. Sie seien hingegen ausschließlich in der Poesie, also in Gedichten und auch in Märchen zu finden. Diese Behauptung ist insbesondere für die damalige Zeit, äußerst provokativ. In Gedichten und Märchen, sieht der Dichter von Hardenberg zeitlose Bilder von Konflikten und typischen Situationen menschlichen Zusammenlebens. Von Hardenbergs Ansichten ähneln denen von Gotthilf Heinrich Schubert, der in seinem Werk „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaften“ im Jahre 1808 eine ähnliche Denkweise schilderte.

(11./12. Vers)

  • die beiden Zeilen sind die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn die zuvor genannten Bedingungen erfüllt sind
    das „geheime“ Wort = das Wort der Dichter
    die entfremdete Welt (das „verkehrte“ Wesen) weicht dem Wort des Dichters aus
    → Befreiung des Daseins aus der Unterdrückung durch Verstandes- und Gesellschaftsnormen

Die letzten beiden Verse, also der elfte und der zwölfte Vers des Gedichts, bringen die herbeigesehnte Folgerung aus den im Vorfeld genannten Bedingungen.

[zurück zum Inhaltsverzeichnis]

Zurück