Ein Lied aus meiner Zeit von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Ein politisch Lied, ein garstig Lied!
So dachten die Dichter mit Göthen
Und glaubten, sie hätten genug gethan,
Wenn sie könnten girren und flöten
Von Nachtigallen, von Lieb und Wein,
Von blauen Bergesfernen,
Von Rosenduft und Lilienschein,
Von Sonne, Mond und Sternen.
 
Ein politisch Lied, ein garstig Lied!
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So dachten die Dichter mit Göthen
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Und glaubten, sie hätten genug gethan,
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Wenn sie könnten girren und Flöten
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Doch anders dachte das Vaterland:
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Das will von der Dichterinnung
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Für den verbrauchten Leiertand
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Nur Muth und biedre Gesinnung.
 
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Ich sang nach alter Sitt' und Brauch
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Von Mond und Sternen und Sonne,
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Von Wein und Nachtigallen auch,
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Von Liebeslust und Wonne.
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Da rief mir zu das Vaterland:
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Du sollst das Alte lassen,
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Den alten verbrauchten Leiertand,
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Du sollst die Zeit erfassen!
 
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Denn anders geworden ist die Welt,
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Es leben andere Leute;
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Was gestern noch stand, schon heute fällt,
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Was gestern nicht galt, gilt heute.
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Und wer nicht die Kunst in unserer Zeit
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Weiß gegen die Zeit zu richten,
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Der werde nun endlich bei Zeiten gescheit
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Und lasse lieber das Dichten!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Ein Lied aus meiner Zeit“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
176
Entstehungsjahr
1798 - 1874
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Ein Lied aus meiner Zeit“ wurde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben verfasst, der im Zeitraum von 1798 bis 1874 lebte. Hoffmann von Fallersleben war als Dichter und Philologe ein wichtiger Vertreter der deutschen Romantik und der Vormärz-Bewegung. Er ist auch bekannt als Verfasser der ersten Strophe des „Liedes der Deutschen“, welches heute als deutsche Nationalhymne dient.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass sich Hoffmann von Fallersleben in kritischer Auseinandersetzung mit der Dichtkunst seiner Zeit und insbesondere mit der romantischen Tradition befindet. Er distanziert sich von der damaligen Vorstellung, dass Dichtung nur auf Schönheit und Harmonie ausgerichtet sein sollte.

Inhaltlich setzt sich das Gedicht damit auseinander, was Dichtung leisten sollte und wie sie sich zu ihrer Zeit positioniert. Im ersten Strophenteil kritisiert das lyrische Ich die romantischen Dichter (inklusive des hier exemplarisch genannten Goethe), die es vorziehen, sich auf die romantischen Motive wie Wein, Liebe und Natur zu konzentrieren statt auf politische und gesellschaftliche Fragen. Diese Einstellung wiederholt sich im zweiten Strophenteil, wo zusätzlich das Vaterland als Stimme eingeführt wird, die einen Wandel in der Dichtkunst fordert - Ein mutigeres, zeitgemäßeres Dichten.

Im dritten und vierten Strophenteil wird diese Forderung nochmal deutlich, als das lyrische Ich seine eigene frühere Dichtungsweise infrage stellt und erkennt, dass die traditionelle Dichtkunst nicht mehr ausreicht, um die Realität der veränderten Welt einzufangen.

Die Form und Sprache des Gedichts sind sehr strukturiert und klar. Jede Strophe besteht aus acht Versen, was eine gewisse Strenge und Regelmäßigkeit ausdrückt. Zudem ist auffällig, dass die ersten beiden Strophen fast identisch sind, was die Eindringlichkeit der Kritik an der traditionellen Dichtkunst verstärkt.

Der Sprachstil ist eher schlicht und direkt, ohne komplexe Metaphern oder Symbolik. Dies könnte eine bewusste Entscheidung des Autors sein, um sein Hauptanliegen deutlicher zu machen: Die Aufforderung an Dichter, sich an die veränderten Bedingungen ihrer Zeit anzupassen und relevante, mutige und engagierte Dichtung zu schaffen. Dies spiegelt auch die Haltung der Vormärz-Bewegung wider, zu der Hoffmann von Fallersleben gehörte und deren Forderung nach politischer und gesellschaftlicher Veränderung er mit diesem Gedicht zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ein Lied aus meiner Zeit“ ist August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Geboren wurde Hoffmann von Fallersleben im Jahr 1798 in Fallersleben bei Wolfsburg. Das Gedicht ist in der Zeit von 1814 bis 1874 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Hoffmann von Fallersleben handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 176 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors August Heinrich Hoffmann von Fallersleben sind „Dies irae, dies ille“, „Sehnsucht nach dem Frühling“ und „Nur liebend ist dein Herz ein Herz“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Lied aus meiner Zeit“ haben wir auf abi-pur.de weitere 201 Gedichte veröffentlicht.

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