Hochzeitsgesang von Clemens Brentano

Komm heraus, komm heraus, o Du schöne, schöne Braut,
Deine guten Tage sind nun alle, alle aus!
Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer,
o, wie weinet die schöne Braut so sehr!
Mußt die Mägdlein lassen stehn,
mußt nun zu den Frauen gehn.
 
Lege an, lege an heut auf kurze, kurze Zeit
Deine Seidenröslein, Dein reiches Brustgeschmeid!
Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer,
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o, wie weinet die schöne Braut so sehr!
11 
Mußt die Zöpflein schließen ein
12 
unterm goldnen Häubelein.
 
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Lache nicht, lache nicht, Deine Gold- und Perlenschuh
14 
werden Dich schon drücken, sind eng genug dazu!
15 
Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer,
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o, wie weinet die schöne Braut so sehr!
17 
Mußt die Zöpflein schließen ein
18 
unterm goldnen Häubelein.
 
19 
Lache nicht, lache nicht, Deine Gold- und Perlenschuh
20 
werden Dich schon drücken, sind eng genug dazu!
21 
Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer,
22 
o, wie weinet die schöne Braut so sehr!
23 
Wenn die andern tanzen gehn,
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mußt Du bei der Wiege stehn.
 
25 
Winke nur, winke nur, sind gar leichte, leichte Wink,
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bis den Finger drücket der goldne Treuering!
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Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer,
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o, wie weinet die schöne Braut so sehr!
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Ringlein sehn heut lieblich aus,
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morgen werden Fesseln draus.
 
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Springe heut, springe heut Deinen letzten, letzten Tanz,
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welken erst die Rosen, stehen Dornen in dem Kranz!
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Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer,
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o, wie weinet die schöne Braut so sehr!
35 
Mußt die Blümlein lassen stehn,
36 
mußt nun auf den Acker gehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Hochzeitsgesang“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
244
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Hochzeitsgesang“ stammt von Clemens Brentano, einem der Hauptvertreter der Heidelberger Romantik, die von 1778 bis 1842 dauerte. Mit sechs Strophen und je sechs Versen pro Strophe hat das Gedicht eine feste formale Struktur und eine wohlgeformte ästhetische Qualität.

Der erste Eindruck kann als recht düster und drückend wirken. Obwohl der Text von einer Hochzeit spricht, die gewöhnlich als fröhliches Ereignis angesehen wird, ist die Atmosphäre eher melodramatisch, gekennzeichnet durch das Bild der weinenden Braut. Die Stimmung wird weiterhin durch den wiederholten Aufruf an die Braut, den glücklichen Moment zu nutzen, unterstrichen, denn nach diesem Ereignis wird ihr Leben sich deutlich verändern.

Der Inhalt des Gedichts vermittelt den Wandel vom Mädchen zur Frau, der mit der Heirat einhergeht. Die Braut wird aufgefordert, ihren letzten Tag als Mädchen zu genießen, bevor sie den Verpflichtungen und der Strenge des Ehelebens begegnet. Dabei sind konkrete Metaphern und Symbole wie der Schleier, das goldene Haubchen, die Seidenröschen, die hochwertige Brustkette, die Treuering und die Wiege zu erkennen, die auf die bevorstehenden Veränderungen in ihrem Leben hinweisen.

Die Form des Gedichts ist strophisch, jede Strophe besteht aus sechs Versen. Der Reim ist durchgehend einheitlich und folgt einem klaren Muster. In jeder Strophe gibt es einen sich wiederholenden Refrain, was einen liedhaften Charakter erzeugt. Dabei wird die Spannung durch die Versatzstücke erzeugt, die ein beklemmendes Gefühl vermitteln und das lyrische Ich hervorheben.

Die Sprache des Gedichts ist unkompliziert und geradlinig, wobei der Duktus eher volksliedartig erscheint. Brentano nutzt einfache und anschauliche Worte, und setzt diese aber auf eine Art und Weise ein, die eine tiefe Symbolik und emotionale Eindringlichkeit erzeugt. Zusammen mit den vielseitigen Versmaßen und Reimschemata erzeugt das Gedicht eine intensive Atmosphäre und lässt viel Raum für Interpretationen.

Weitere Informationen

Clemens Brentano ist der Autor des Gedichtes „Hochzeitsgesang“. Brentano wurde im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. In der Zeit von 1794 bis 1842 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Romantik lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Die Romantik wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Lyriker der Romantik in Auflösung begriffen. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 244 Worte. Die Gedichte „Kennt ihr das Fräulein Dienchen nicht ...“, „Zu Koblenz auf der Brücken“ und „Ihr himmlischen Fernen“ sind weitere Werke des Autors Clemens Brentano. Zum Autor des Gedichtes „Hochzeitsgesang“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 298 Gedichte vor.

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