Abschied von Justinus Kerner

1	Geh' ich einsam durch die schwarzen Gassen,
2	Schweigt die Stadt, als wär' sie unbewohnt;
3	Aus der Ferne rauschen nur die Wasser,
4	Und am Himmel zieht der bleiche Mond.
5	Bleib' ich lang' vor jenem Hause stehen,
6	Drin das liebe, liebe Liebchen wohnt,
7	Weiß nicht, daß sein Treuer ferne ziehet,
8	Stumm und harmvoll wie der bleiche Mond.
9	Breit' ich lange sehnend meine Arme
10	Nach dem lieben, lieben Liebchen aus,
11	Und nun sprech' ich: Lebet wohl, ihr Gassen!
12	Lebe wohl, du stilles, stilles Haus!
13	Und du Kämmerlein im Haus dort oben,
14	Nach dem oft das warme Herze schwoll,
15	Und du Fensterlein, draus Liebchen schaute,
16	Und du Türe, draus sie ging, leb' wohl'!
17	Geh' ich bang nun, nach den alten Mauern
18	Schauend rückwärts noch mit nassem Blick,
19	Schließt der Wächter hinter mir die Tore,
20	Weiß nicht, daß mein Herze noch zurück.

Details zum Gedicht „Abschied“

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Abschied“ ist Justinus Kerner, ein deutscher Mediziner und Schriftsteller der Romantik, der von 1786 bis 1862 lebte.

Das lyrische Ich stolpert in meinen ersten Eindruck hinein, indem es sich auf einsamen Spaziergängen in schwarzen Gassen befindet, vorbei an einem stillen Haus und dem Raum, in dem das geliebte Wesen wohnt. Begleitet wird es dabei von der Stille der Stadt und dem Schein des blassen Mondes. In der dritten Strophe signalisiert die Abschiednahme, möglicherweise ein endgültiger Abschied vom Geliebten oder einer ehemalig geliebten Stätte. Die bittersüße Atmosphäre wird durch die Bewegung des lyrischen Ichs durch die Stadt, den Abschied von bekannten Orten und die Erinnerung an ein verlorenes Liebchen weiter verstärkt.

Die Elemente des Gedichts wie dunkle Gassen, stillstehende Häuser, und vor allem der wiederholte Bezug auf den blassen Mond, erzeugen eine melancholische und teilweise gespenstische Atmosphäre, die typisch ist für die Schwarze Romantik und die Einsamkeit sowie die Trauer hervorhebt, die das lyrische Ich im Moment des Abschieds empfindet.

Formal ist das Gedicht in fünf gleich aufgebaute Vierzeiler unterteilt. In diesen kurzen Strophen verwendet der Dichter eine einfache und verständliche Sprache, die es erlaubt, die innersten Gefühle des lyrischen Ichs darzustellen. Durch die Wiederholungen der Wendung „liebes, liebes Liebchen“ und „stilles, stilles Haus“ wird der emotionale Gehalt der Wörter verstärkt und die verbundene Emotion hervorgehoben.

Insgesamt kann gesagt werden, dass das Gedicht „Abschied“ von Justinus Kerner als eine Art Abschiedsbrief gelesen werden kann, in dem das lyrische Ich sowohl dem Ort als auch der Person Adieu sagt, die es einst liebte. Zentral ist dabei das Gefühl der Traurigkeit und Einsamkeit, das durch die wiederkehrenden Bilder des blassen Mondes, der stillen Stadt und der verlassenen Liebesstätte hervorgehoben wird. Die stilvolle und dennoch schlichte Sprache des Gedichts unterstützt diese Atmosphäre und vermittelt ein tiefes Gefühl der Melancholie.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abschied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Justinus Kerner. Kerner wurde im Jahr 1786 in Ludwigsburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1802 bis 1862 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 137 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere Werke des Dichters Justinus Kerner sind „Der tote Müller“, „Im Grase“ und „Poesie“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Abschied“ weitere 20 Gedichte vor.

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