Der Wanderer in der Sägemühle von Justinus Kerner

Dort unten in der Mühle
saß ich in süßer Ruh,
Und sah dem Räderspiele
und sah den Wassern zu.
 
Sah zu der blanken Säge,
es war mir wie ein Traum,
Die bahnte lange Wege
in einen Tannenbaum.
 
Die Tanne war wie lebend,
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in Trauermelodie,
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Durch alle Fasern bebend,
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sang diese Worte sie:
 
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"Du kehrst zur rechten Stunde,
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o Wandrer, hier ein;
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Du bist's, für den die Wunde
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mir dringt ins Herz hinein.
 
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Du bist's für den wird werden,
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wenn kurz gewandert du,
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Dies Holz im Schoß der Erden
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ein Schrein zur langen Ruh."
 
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Vier Bretter sah ich fallen,
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mir ward's ums Herze schwer;
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Ein Wörtlein wollt ich lassen,
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da ging das Rad nicht mehr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Wanderer in der Sägemühle“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
114
Entstehungsjahr
1786 - 1862
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Wanderer in der Sägemühle“ wurde von Justinus Kerner verfasst, einem deutschen Dichter und Arzt, der im 18. und 19. Jahrhundert lebte, also zur Zeit der Romantik.

Der erste Eindruck des Gedichts vermittelt eine Atmosphäre der Ruhe und des Nachdenkens, doch mit einigen dunklen Untertönen. Das lyrische Ich sitzt in einer Sägemühle und beobachtet die sich drehenden Räder und das fließende Wasser. Es befindet sich offenbar in einer Phase ruhiger Reflexion, wird jedoch durch das Sägen eines Tannenbaums aus seinen Gedanken herausgerissen.

In Bezug auf den Inhalt erzählt das Gedicht die Geschichte einer tiefen, persönlichen Interaktion zwischen dem lyrischen Ich und einem Tannenbaum, der in der Mühle gesägt wird. Der Baum scheint lebendig zu sein und spricht durch seine Tannenfasern zum lyrischen Ich, eine Wunde implizierend, die speziell für den Wanderer in sein Herz eindringt. Dem Baum wird ein menschenähnliches Leiden zugeschrieben, und das lyrische Ich fühlt sich mit diesem Leiden tief verbunden, so sehr, dass es ihm schwer ums Herz wird, als es die Bretter fallen sieht.

Das lyrische Ich könnte also das plötzliche Bewusstsein des eigenen Sterblichkeitsgedanken und dem unausweichlichen Tod ausdrücken. Der Tannenbaum wird als Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens verwendet. Dies wird im letzten Vers kraftvoll zum Ausdruck gebracht, wenn das lyrische Ich feststellt, dass das Rad (ein Symbol für das unaufhaltsame Voranschreiten der Zeit und des Lebens) plötzlich stoppt.

Auf der Formebene besteht das Gedicht aus sechs Vierzeilern, die durch einen durchgängigen Jambus und einen wechselnden Reim (Kreuzreim und Paarreim) einen steten Rhythmus und Ton aufweisen. Die Sprache ist einfach und klar, was der Schönheit und Klarheit der Natur und der Gefühle des lyrischen Ichs entspricht.

Zusammenfassend ist „Der Wanderer in der Sägemühle“ ein stilles, aber berührendes Gedicht, das den Leser dazu anregt, über das Leben, den Tod und die Beziehung des Menschen zur Natur nachzudenken. Es stellt grundlegende Fragen zur menschlichen Existenz und schafft es, Tiefe und Schönheit in der alltäglichen Szene einer Sägemühle zu finden.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Wanderer in der Sägemühle“ des Autors Justinus Kerner. Geboren wurde Kerner im Jahr 1786 in Ludwigsburg. In der Zeit von 1802 bis 1862 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 114 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Justinus Kerner sind „Abschied“, „Das treue Roß“ und „Stille Tränen“. Zum Autor des Gedichtes „Der Wanderer in der Sägemühle“ haben wir auf abi-pur.de weitere 20 Gedichte veröffentlicht.

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