Morgenstunde von Richard Dehmel

Ob du wohl auch so schlaflos liegst
Und dich in wachen Träumen wiegst,
Vor Glück, wie sehr die Sehnsucht brennt?
Ich starr ins dunkle Firmament:
Der Morgenstern, in großem Bogen,
Ist langsam längst heraufgezogen
Und läßt mich lächelnd fühlen, was uns trennt.
 
Vor meinen schwachen Augen
Nun weiß ich doch, zu was sie taugen
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Strahlt er, je höher her, je flimmernder.
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Weihnächtig glänzt die graue Stille.
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O zögre, Alltag! Ohne Brille
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Sieht man die Welt unendlich schimmernder.
 
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Schon aber glitzert sein Gezitter blasser;
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Nun steh' ich auf und geb' der Lilie Wasser,
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Die du mir gestern heimlich brachtest,
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Und wenn du mich dafür auslachtest:
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Sanft nehm' ich sie von ihrer Stätte
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Und leg' sie auf mein warmes Bette
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Und fühle lächelnd, wie du nach mir schmachtest.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Morgenstunde“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Morgenstunde“ stammt von dem deutschen Dichter Richard Dehmel, der zu den wichtigsten Vertretern des literarischen Naturalismus und Symbolismus zählt und in der Zeit von 1863 bis 1920 lebte.

Das Gedicht scheint mir auf den ersten Blick eine intime und romantische Atmosphäre zu erzeugen. Es erscheint, als würde das lyrische Ich sein innerstes Gefühlsleben für die Person ausdrücken, an die diese Worte gerichtet sind. Zudem scheint die frühe Morgenstunde, an der das Gedicht spielt, auf eine tiefe innere Aufgewühltheit, vielleicht sogar Schlaflosigkeit hinzuweisen, die auf eine innige Sehnsucht und tiefgründige Gedankenschwere schließen lässt.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich, wie es in einer schlaflosen Nacht unter dem Nachthimmel liegt und den Morgenstern beobachtet. Es stellt Fragen darüber, ob die Person an die die Gedichte gerichtet sind, ebenfalls wach liegt und von ähnlicher Sehnsucht erfüllt ist. Es gibt auch Einblick in persönliche Gedanken und Gefühle, die offenbaren wie es trotz der Trennung lächelt und dann die Empfindungen in Bezug auf eine Lilie beschreibt, die die Person ihm gebracht hat.

Die Form des Gedichts ist in drei Strophen strukturiert, mit einer meist siebenzeiligen und einer sechszeiligen Strophe. Dehmel verwendet eine relativ einfache und verständliche Sprache, die jedoch durch ihre Bildhaftigkeit und ihren symbolischen Gehalt eine tiefe Komplexität aufweist. Der Morgenstern symbolisiert dabei womöglich die entfernte geliebte Person und die Lilie könnte ein Zeichen für die (vergangene) gemeinsame Zeit und ihre Zuneigung zueinander sein.

Abschließend lässt sich sagen, dass Dehmel mit seiner dichterischen Sprache und seinem Gespür für die Darstellungsebene menschlicher Gefühle ein berührendes und einschneidendes lyrisches Werk geschaffen hat, das das Innenleben des lyrischen Ichs mit einfühlsamer und doch klarer Ausdruckskraft hervorhebt.

Weitere Informationen

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Morgenstunde“. Der Autor Richard Dehmel wurde 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1879 bis 1920 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 126 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Der Dichter Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Ballade vom Volk“, „Bann“ und „Bastard“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Morgenstunde“ weitere 522 Gedichte vor.

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