Morgane von Theodor Storm
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An regentrüben Sommertagen, |
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Wenn Luft und Flut zusammenragen |
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Und ohne Regung schläft die See, |
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Dann steht an unserm grauen Strande |
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Das Wunder aus dem Morgenlande, |
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Morgane, die berufne Fee. |
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Arglistig halb und halb von Sinne, |
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Verschmachtend nach dem Kelch der Minne, |
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Der stets an ihrem Mund versiegt, |
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Umgaukelt sie des Wandrers Pfade |
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Und lockt ihn an ein Scheingestade, |
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Das in des Todes Reichen liegt. |
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Von ihrem Zauberspiel geblendet, |
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Ruht manches Haupt in Nacht gewendet, |
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Begraben in der Wüste Schlucht; |
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Denn ihre Liebe ist Verderben, |
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Ihr Hauch ist Gift, ihr Kuß ist Sterben, |
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Die schönen Augen sind verflucht. |
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So steht sie jetzt im hohen Norden |
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An unsres Meeres dunklen Borden, |
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So schreibt sie fingernd in den Dunst; |
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Und quellend aus den luft'gen Spuren |
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Erstehn in dämmernden Konturen |
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Die Bilder ihrer argen Kunst. |
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Doch hebt sich nicht wie dort im Süden |
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Auf rosigen Karyatiden |
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Ein Wundermärchenschloß ins Blau; |
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Nur einer Hauberg graues Bildnis |
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Schwimmt einsam in der Nebelwildnis, |
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Und keinen lockt der Hexenbau. |
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Bald wechselt sie die dunkle Küste |
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Mit Libyens sonnengelber Wüste |
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Und mit der Tropenwälder Duft; |
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Dann bläst sie lachend durch die Hände, |
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Dann schwankt das Haus, und Fach und Wände |
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Verrinnen quirlend in die Luft. |
Details zum Gedicht „Morgane“
Theodor Storm
6
36
196
1817 - 1888
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Morgane“ wurde von dem bekannten deutschen Schriftsteller und Lyriker Theodor Storm verfasst, der in der Epoche des Realismus tätig war. Storm lebte von 1817 bis 1888, das Gedicht kann daher zeitlich in das späte 19. Jahrhundert eingeordnet werden.
Auf den ersten Blick scheint das Gedicht in einer eher dunklen und unnahbaren Stimmung gehalten zu sein. Die Hauptfigur, Morgane, wird hierbei in die Rolle einer ominösen und möglicherweise gefährlichen Fee aus dem Morgenlande platziert.
Inhaltlich beschreibt das Gedicht zunächst eine düstere und regnerische Szenerie am Meer, an dessen Strand die Figur von Morgane erscheint. Es wird schnell klar, dass diese Fee eine ungute Präsenz darstellt, die Wandrer anlockt und ins verderben führt. Ihre Liebe und ihre Aufmerksamkeit haben fatale Folgen, sie sind vergiftet und führen zum Tod. Anschließend wird bildhaft beschrieben wie Morgane eine Art Unheil über das Meer legt und sich dann in verschiedene Szenarien und Gegenden begibt. Trotz ihrer faszinierenden Erscheinung lockt sie niemanden mehr an, ihr Schicksal ist es womöglich, niemals dauerhaft bleiben zu können und stets weiterzuziehen.
Storm nutzt die Figur der Morgane um möglicherweise auf die Schattenseiten der Liebe hinzuweisen und die Gefährlichkeit von Illusionen und Täuschungen darzustellen. Auch wird das Motiv der Verführung und deren Folgen aufgegriffen, suggeriert durch das Locken der Wandrer auf abgelegene Pfade.
Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen zu je sechs Versen. Auffällig ist Storms Wahl an reichen und bildhaften Metaphern und Adjektiven, um die uncanny Atmosphäre und die doppelte Natur der Morgane zu unterstreichen. Auch die Alliterationen, etwa in „Arglistig halb und halb von Sinne“, tragen zur Rhythmik und Klangästhetik des Gedichts bei. Insgesamt ist Storms Sprachführung klar und gewählt, was den Zugang zum Gedicht erleichtert und seine dunkle Interpretation der Fee Morgane eindrücklich hervorbringt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Morgane“ des Autors Theodor Storm. Im Jahr 1817 wurde Storm in Husum geboren. In der Zeit von 1833 bis 1888 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Storm handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 196 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Theodor Storm ist auch der Autor für Gedichte wie „Von Katzen“, „Weihnachtslied“ und „Das ist der Herbst“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Morgane“ weitere 131 Gedichte vor.
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