Weihnachtabend von Theodor Storm

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war's; durch alle Gassen scholl
Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.
 
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
»Kauft, lieber Herr!« Ein magres Händchen hielt
Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
 
Ich schrak empor, und beim Laternenschein
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Sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
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Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
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Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.
 
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Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
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Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien:
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»Kauft, lieber Herr!« den Ruf ohn Unterlaß;
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Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
 
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Und ich? - War's Ungeschick, war es die Scham,
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Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
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Eh meine Hand zu meiner Börse kam,
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Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
 
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Doch als ich endlich war mit mir allein,
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Erfaßte mich die Angst im Herzen so,
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Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein
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Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Weihnachtabend“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
165
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Weihnachtsabend“ wurde von Theodor Storm verfasst, einem deutschen Schriftsteller des Realismus, der von 1817 bis 1888 lebte. Es besteht aus sechs Strophen, die jeweils vier Verse haben.

Der erste Eindruck des Gedichts ist melancholisch und nachdenklich. Es scheint, es erzählt eine Geschichte, die den Leser tief berührt und zum Nachdenken über das Bedürfnis und die Bedeutung von Mitgefühl anregt.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um das lyrische Ich, das am Weihnachtsabend durch eine fremde Stadt läuft und dabei an seine eigenen Kinder zu Hause denkt. Während er durch die belebten Straßen geht, hört er die Klänge von Kindern, die glücklich und laut sind, und sieht die belebten Märkte. Dies steht im Kontrast zu einem ärmlichen Kind, das Spielzeug zum Verkauf anbietet, was das lyrische Ich emotional berührt. Er fühlt sich so, als ob es sein eigenes Kind sein könnte, das dort sitzt und nach Brot schreit, während er wegläuft.

Das lyrische Ich möchte wahrscheinlich den Leser auf die Not und das Leiden der Armen aufmerksam machen und betont dabei, wie erstaunlich es ist, dass Menschen auf den Straßen gehen können, ohne das Elend derjenigen zu bemerken, die um ihren Lebensunterhalt kämpfen. Es zeigt auch, wie wir uns oft nicht bewusst sind, wie gut wir es haben, bis wir die Situation eines Anderen aus deren Sicht sehen können.

Das Gedicht ist in einer klaren, lyrischen Sprache geschrieben und besteht aus gereimten Versen. Jede Strophe beinhaltet eine bestimmte Szene oder einen Gedanken und baut auf der vorherigen auf, um eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen. Die Themen Not, Mitgefühl und Bewusstsein sind im gesamten Gedicht präsent, und das lyrische Ich nutzt diese, um seine Botschaft zu vermitteln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Weihnachtsabend“ von Theodor Storm ein starkes, emotionales Gedicht ist, das zur Reflexion über die Bedürfnisse der Armen und unser Verhältnis zu ihnen anregt. Es zeigt die Fähigkeit der Poesie, sowohl den Geist als auch das Herz anzusprechen und zugleich eine soziale Botschaft zu vermitteln.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Weihnachtabend“ des Autors Theodor Storm. Geboren wurde Storm im Jahr 1817 in Husum. Zwischen den Jahren 1833 und 1888 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Storm ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 165 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Theodor Storm ist auch der Autor für Gedichte wie „Käuzlein“, „Loose“ und „Oktoberlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Weihnachtabend“ weitere 131 Gedichte vor.

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