Märchen von Theodor Storm

Ich hab's gesehn und will's getreu berichten;
Beklagt euch nicht, wenn ich zuwenig sah!
Nur sommernachts passieren die Geschichten;
Kaum graut die Nacht, so rückt der Morgen nah,
Kaum daß den Wald die ersten Strahlen lichten,
Entflieht mit ihrem Hof Titania;
Auf Weg und Steg spazieren die Philister,
Das wohlbekannte leidige Register.
 
Kein Zauber wächst für fromme Bürgersleute,
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Die tags nur wissen, wie die Glocke geht.
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Die gründlich kennen gestern, morgen, heute,
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Doch nicht die Zeit, die mittendrin besteht;
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Ich aber hörte wohl das Waldgeläute,
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Ein Sonntagskind ist immer der Poet;
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So laßt euch denn in blanken Liederringen
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Von Reim zu Reim ins Land der Märchen schwingen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Märchen“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
107
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Märchen“ ist Theodor Storm, ein deutscher Schriftsteller des Realismus. Storm lebte von 1817 bis 1888, was das Gedicht zeitlich in die Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts einordnet.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht den Eindruck von geheimnisvollen Nächten, Zauberei und der Vermischung von Realität und Fantasie. Der Wald scheint eine besondere Rolle zu spielen und fungiert womöglich als metaphysischer Raum, in dem märchenhafte Ereignisse stattfinden.

Grob handelt das Gedicht vom Beobachten und Berichten von märchenhaften Ereignissen, die angeblich nur in der Sommerzeit, speziell in der Nacht stattfinden. Der Sprecher identifiziert sich als Poet und fühlt sich verpflichtet, diese Beobachtungen in Gedichtform zu teilen, unabhängig davon, ob andere (die „Philister“ oder „fromme Bürgersleute“) ihre Existenz anerkennen oder nicht.

Im Kontext des Gedichts könnte das lyrische Ich ein Argument für die Macht der Vorstellungskraft und der Unberechenbarkeit der Natur und der Zeit aufstellen. In gewissem Maße scheint das lyrische Ich diejenigen zu kritisieren, die blind für das Unbekannte oder das Wunderbare sind und sich stattdessen auf die Bekannte und Vorhersehbare konzentrieren. Die Erwähnung von Titania, der Königin der Feen in Shakespeares „Sommernachtstraum“, verdeutlicht die Verbindung zur Märchen- und Fabelwelt.

Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils acht Versen. Die Sprache des Gedichts ist klar und einfach gehalten, aber dennoch bildlich und metaphorisch. Der Gebrauch des Reims verleiht dem Gedicht einen melodiösen Klang und eine fließende Bewegung, die mit den nächtlichen, märchenhaften Szenen kontrastiert. Den Versen liegen klassische Metren zugrunde, was dem Gedicht eine gewisse Formalität verleiht. Insgesamt vereint das Gedicht sowohl traditionelle als auch innovative Elemente, indem es klassische formale Elemente mit der Darstellung von Natur und Poesie kombiniert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Märchen“ des Autors Theodor Storm. 1817 wurde Storm in Husum geboren. Im Zeitraum zwischen 1833 und 1888 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Realismus zuordnen. Storm ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 107 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Die Gedichte „Die Stadt“, „Juli“ und „Knecht Ruprecht“ sind weitere Werke des Autors Theodor Storm. Zum Autor des Gedichtes „Märchen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 131 Gedichte vor.

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