Der Phönix von Heinrich Heine

Es kommt ein Vogel geflogen aus Westen,
Er fliegt gen Osten,
Nach der östlichen Gartenheimat,
Wo Spezereien duften und wachsen,
Und Palmen rauschen und Brunnen kühlen
Und fliegend singt der Wundervogel:
 
»Sie liebt ihn! sie liebt ihn!
Sie trägt sein Bildnis im kleinen Herzen,
Und trägt es süß und heimlich verborgen,
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Und weiß es selbst nicht!
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Aber im Traume steht er vor ihr,
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Sie bittet und weint und küßt seine Hände
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Und ruft seinen Namen,
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Und rufend erwacht sie und liegt erschrocken,
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Und reibt sich verwundert die schönen Augen
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Sie liebt ihn, sie liebt ihn!«
 
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An den Mastbaum gelehnt, auf dem hohen Verdeck,
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Stand ich und hört ich des Vogels Gesang.
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Wie schwarzgrüne Rosse mit silbernen Mähnen,
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Sprangen die weißgekräuselten Wellen;
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Wie Schwanenzüge schifften vorüber,
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Mit schimmernden Segeln, die Helgolander,
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Die kecken Nomaden der Nordsee;
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Über mir, in dem ewigen Blau,
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Flatterte weißes Gewölk
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Und prangte die ewige Sonne,
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Die Rose des Himmels, die feuerblühende,
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Die freudvoll im Meer sich bespiegelte;
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Und Himmel und Meer und mein eigenes Herz
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Ertönten im Nachhall:
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»Sie liebt ihn! sie liebt ihn!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Der Phönix“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
31
Anzahl Wörter
178
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Phönix“ wurde von Heinrich Heine geschrieben, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Die genaue Entstehungszeit ist nicht angegeben, jedoch lebte Heine von 1797 bis 1856.

Bei einem ersten Eindruck fällt auf, dass das lyrische Ich im Gedicht von der Reise eines Vogels aus dem Westen nach Osten erzählt und wie es diese Reise beobachtet. Die Wiederholung des Abschnitts „Sie liebt ihn! sie liebt ihn!“ lässt darauf schließen, dass Liebe ein zentrales Thema des Gedichts ist.

Inhaltlich geht das Gedicht um die Sehnsucht und Liebe. Es beginnt mit der Beschreibung des Flugs eines Vogels, der Phönix, aus dem Westen gen Osten. Dies wird als Metapher für eine Sehnsucht nach dem Unbekannten und Fernen verwendet. In der zweiten Strophe wird dann berichtet, dass eine nicht näher genannte Person jemanden liebt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ihre Liebe wird im Traum offenbart, wenn sie den Namen der geliebten Person ruft.

In der dritten und letzten Strophe wird das lyrische Ich eingeführt, das diesen Vogel und seine Gesänge beobachtet. Es nimmt die Schönheit der Natur – das ewige Blau des Himmels, die weißen Wolken und die prächtige Sonne – wahr und etwas von der Freude und Intensität der beschriebenen Liebe scheint auf das lyrische Ich überzugreifen, denn es hört das Echo „Sie liebt ihn! sie liebt ihn!“ in seinem eigenen Herzen.

Formal ist das Gedicht nicht in traditionelle Verse und Reime eingebunden, sondern es nimmt eine eher freie Form an. Bei der Sprache handelt es sich um eine gehobene Sprache mit poetischen und bildhaften Beschreibungen. Der Text nutzt viele Metaphern und Symbole. Der Flug des Vogels repräsentiert die Sehnsucht, die östliche Gartenheimat symbolisiert das Unbekannte oder Fernweh und Liebe wird als Bildnis im Herzen dargestellt.

Die Liebe, die im Herzen verborgen ist, kann als Methode gedeutet werden, die inneren Gefühle des lyrischen Ichs darzustellen, das möglicherweise eine unerwiderte oder verborgene Liebe empfindet. Es könnte sein, dass das lyrische Ich durch das Beobachten des Vogels seine eigenen Gefühle besser verstehen und artikulieren kann. Insgesamt kann „Der Phönix“ als Allegorie auf die Gefühle der Sehnsucht und Liebe gesehen werden, die oft schwer zu begreifen und zu äußern sind.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Phönix“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Im Jahr 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. In der Zeit von 1813 bis 1856 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 31 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 178 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Heine sind „Ach, ich sehne mich nach Thränen“, „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“ und „Ahnung“. Zum Autor des Gedichtes „Der Phönix“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.

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