Berliner Mittelstandsbegräbnis von Klabund

In einer Margarinekiste habe ich sie begraben.
Ein Leihsarg war nicht mehr zu haben.
Die Kosten für einen Begräbnisplatz konnt ich nicht erschwingen:
Ich mußte die Margarinekiste mit der teueren Entschlafenen
auf einem Handwagen in die Laubenkolonie
am schlesischen Bahnhof bringen.
 
Dort habe ich sie in stockfinsterer Nacht
unter Kohlrüben zur ewigen Ruhe gebracht.
Aber im Frühling werden aus der Erde Kohlrüben,
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die sie mit ihrem Leibe gedüngt,
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zum himmlischen Lichte sprießen,
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und der Hilfsweichensteller Kraschunke wird sie zum Nachtmahl genießen.
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Während sie noch in der Pfanne (in Margarine-Ersatz) schmoren und braten,
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bemerkt Frau Kraschunke erfreut: „Die Kohlrüben sind dieses Jahr
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aber ungewöhnlich groß geraten...“
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Berliner Mittelstandsbegräbnis“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
15
Anzahl Wörter
105
Entstehungsjahr
1927
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht heißt „Berliner Mittelstandsbegräbnis“ und ist von dem deutschen Schriftsteller Klabund, der von 1890 bis 1928 lebte. Er gehörte damit zur literarischen Epoche der Expressionismus und Moderne. Bei einem ersten Eindruck sticht die groteske und makabre Darstellung eines Begräbnisses hervor, das in scharfem Kontrast zur sonst üblichen Behandlung dieses ernsten und respektvollen Themas steht.

Das lyrische Ich erzählt, dass es keine herkömmlichen Bestattungsmöglichkeiten mehr für die verstorbene Person gibt, womöglich auf Grund von Mittellosigkeit. Daher wurde sie in einer Margarinekiste begraben und in einer städtischen Kleingartenkolonie, anstatt auf einem Friedhof, bestattet. Im Frühjahr wachsen aus der Grabstelle Kohlrüben, welche durch den Leichnam gedüngt wurden und von einer dritten Partei, Frau Kraschunke, geerntet und genossen werden. Der Ton des Gedichts ist dabei sehr nüchtern und direkte Emotionen des lyrischen Ichs fehlen gänzlich.

Die Form des Gedichts ist prosaisch und ungebunden, es gibt keinerlei Reime oder ein festes Metrum. Dies verstärkt den realistischen, fast schon reportageartigen Charakter des Gedichts. Die Sprache ist sehr alltäglich und teilweise sogar vulgär, was die Tragödie und den Ernst der Situation unterstreicht: Ein Begräbnis wird auf eine absurde und entwürdigende Art und Weise dargestellt.

In dem Gedicht werden Themen wie Armut, Tod, sozialer Abstieg und die Verrohung der Gesellschaft thematisiert. Es kann als scharfe Kritik an den Lebensumständen des Berliner Mittelstands in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gesehen werden, in der viele Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten und existenziellen Sorgen umgehen mussten. Gleichzeitig schwingt auch ein schwarz-humoriger Unterton mit, der die Situation ironisch unterstreicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Gedicht als groteskes, sozialkritisches Zeitdokument gelesen werden kann.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Berliner Mittelstandsbegräbnis“ des Autors Klabund. Geboren wurde Klabund im Jahr 1890 in Crossen an der Oder. Im Jahr 1927 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 105 Worte. Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Bauz“, „Berliner Ballade“ und „Berliner in Italien“. Zum Autor des Gedichtes „Berliner Mittelstandsbegräbnis“ haben wir auf abi-pur.de weitere 139 Gedichte veröffentlicht.

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