Ballade von Klabund

Mein Vater war ein Seebär,
Meine Mutter kam aus Holland her,
Sie hatte Blondhaar, wie Gold so schwer.
 
Mein Vater war ein grobes Schwein,
Meine Mutter war zart und klein,
Sie war zu schwach, sie sagte nicht: nein.
 
Sie haßte ihn, daß er sie zwang,
Und gab ihm elf Monate lang
Zwei Taler wöchentlich zum Dank.
 
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Und als ich dann zu Lichte kam,
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Meine Mutter mich an ihre zarten Brüste nahm,
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Mein Vater schlug sie krumm und lahm.
 
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Ersäufen wollte er mich im Fleet,
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Meiner Mutter Flehen war Gebet.
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Er hat sich fluchend umgedreht.
 
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Da lief sie in die Nacht hinaus,
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Setzte in dunkler Twiete mich aus,
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Ging in die Ulrikusgasse ins Freudenhaus.
 
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Mich fand ein Irgendwer.
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Wenn ich wüßte, wo meine Mutter wär,
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Wär mir nicht oft das Herz so schwer.
 
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In der Ulrikusgasse Nummer fünf spiel ich Klavier.
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Vielleicht tanzt meine Mutter hinter mir,
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vielleicht schläft sie des Nachts bei mir
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Ballade“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
153
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist eine Ballade von Klabund, einem deutschen Schriftsteller und Lyriker, der im Zeitraum zwischen 1890 und 1928 lebte. Der Autor gehörte zur Epoche des Expressionismus, einer Zeit, in der Künstler in der Regel versuchten, ihre emotionalen und subjektiven Erfahrungen zu vermitteln.

Schon auf den ersten Blick fällt der harte, tragische Tonfall auf, der durch alle acht Strophen hindurch spürbar ist. Das Lied erzählt eine traurige Geschichte über die Beziehung des lyrischen Ichs zu seinen Eltern, insbesondere zu seiner Mutter.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einem Kind, dessen Vater ein 'Seebär' ist, also vermutlich ein grober, ungestümer Seemann, und dessen Mutter aus Holland stammt, mit 'Blondhaar, wie Gold so schwer'. Schon früh wird eine Asymmetrie in der Beziehung zwischen den Eltern deutlich: Der Vater wird als Schwein bezeichnet, die Mutter als zart und klein. Sie hatte keine Möglichkeit, sich gegen den Mann zur Wehr zu setzen.

Die Verse zeigen uns ein Bild von körperlicher Gewalt und emotionalem Missbrauch. Die Mutter wird geschlagen und gezwungen, Geld zu zahlen. Trotz der Gewalt, die sie erlebt, hat sie jedoch immer noch Liebe für ihr Kind und versucht, es vor dem Vater zu schützen.

Nachdem das Kind geboren wurde, verlässt die Mutter ihren gewalttätigen Partner und setzt ihr Kind aus. Schließlich geht sie in die „Ulrikusgasse ins Freudenhaus“, was darauf hinweist, dass sie sich gezwungen sieht, sich zu prostituieren. Das Lyrische Ich wünscht sich in den letzten Strophen, seine Mutter wiederzufinden, die möglicherweise in seinem Umfeld ist, ohne dass er es erkennt.

In Bezug auf Form und Sprache ist die Ballade in acht Terzetten geschrieben, wobei jeder Vers aus sechs Silben besteht. Dies verleiht dem Gedicht ein fließendes, rhythmisches Lesegefühl. Die Sprache ist klar und direkt, verwendet keine komplexen Metaphern oder Bilder. Dabei erzeugt die Wortwahl des Autors eine deutliche emotionale Wirkung. Der harte, grobe Umgang des Vaters mit der Mutter und dem Kind wird durch Wörter wie 'Schwein', 'krumm und lahm schlagen' oder 'ersäufen' stark verdeutlicht.

Zusammenfassend scheint Klabunds Ballade die grausame, brutale Realität des Kindes zu vermitteln, dessen Leben von Anfang an von Gewalt und Elend geprägt war. Es ist eine eindringliche Darstellung von Missbrauch und Einsamkeit, die den Leser nicht unberührt lässt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ballade“ ist Klabund. Im Jahr 1890 wurde Klabund in Crossen an der Oder geboren. 1913 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 153 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Der Dichter Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied der Mutter von ihrem Sohn“, „Ad notam“ und „Akim Akimitsch“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ballade“ weitere 139 Gedichte vor.

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