Erlkönig von Johann Wolfgang von Goethe

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
er hat den Knaben wohl in dem Arm,
er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
 
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlkönig mit Kron' und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.
 
"Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
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Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
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manch bunte Blumen sind an dem Strand,
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meine Mutter hat manch gülden Gewand."
 
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Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
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was Erlenkönig mir leise verspricht?
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Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind:
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In dürren Blättern säuselt der Wind.
 
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"Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
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Meine Töchter sollen dich warten schön;
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meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,
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und wiegen und tanzen und singen dich ein."
 
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Mein Vater, mein Vater und siehst du nicht dort
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Erlkönigs Töchter am düstern Ort?
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Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:
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Es scheinen die alten Weiden so grau.
 
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"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
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und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."
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Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
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Erlkönig hat mir ein Leids getan!
 
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Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
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er hält in den Armen das ächzende Kind,
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erreicht den Hof mit Mühe und Not;
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in seinen Armen das Kind war tot.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Erlkönig“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
226
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Erlkönig“ wurde von Johann Wolfgang von Goethe, einem der bedeutendsten deutschen Dichter der Literaturgeschichte, verfasst. Goethe lebte von 1749 bis 1832 und sein Werk ist der Epoche der Weimarer Klassik zuzuordnen.

Bereits beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine sehr düstere Stimmung schafft. Die narrative Struktur und die lebhaften Dialoge zwischen Vater, Sohn und dem Erlkönig schaffen eine spannende und zugleich beängstigende Atmosphäre, die vom verzweifelten Kampf um Leben und Tod handelt.

Goethes „Erlkönig“ erzählt eine tragische Geschichte von einem Vater, der in der Nacht, durch Wind und Wetter, mit seinem kranken Sohn auf dem Arm durch den Wald reitet, um ärztliche Hilfe zu erreichen. Der Knabe halluziniert aufgrund seines Fiebers und fühlt sich vom Erlkönig verfolgt, einer mythischen Gestalt, die versucht, das Kind zu sich zu locken, und schließlich auch angreift. Der Vater versucht, die Ängste des Kindes zu beruhigen, indem er die Erscheinungen als natürliche Phänomene wie Nebel oder das Säuseln des Windes in den Blättern erklärt. Am Ende erreicht der Vater den Hof, doch sein Kind stirbt in seinen Armen.

Das lyrische Ich möchte, so kann man vermuten, mit diesem tragischen Ende die Hilflosigkeit des Vaters sowie die unausweichliche Macht des Todes darstellen. Es verdeutlicht die Grausamkeit und Unvorhersehbarkeit des Schicksals, die keine Rücksicht auf menschliche Anstrengungen oder Wünsche nimmt.

Im Hinblick auf die Form und Sprache des Gedichts hebt sich Goethes „Erlkönig“ durch seine klare, einfache Sprache und seinen festen Rhythmus hervor. Es besteht aus acht gleichmäßigen Vierzeilern in Kreuzreimen, die die Handlung vorantreiben und die wachsende Spannung unterstreichen. Die knappen, dialogischen Verse unterstreichen die Bedrohlichkeit und Dringlichkeit der Situation. Dabei wechselt die Perspektive zwischen den drei Charakteren, was zur Dramatik der Erzählung beiträgt. Die Sprache des Erlkönigs ist verführerisch und trügerisch, während die Worte des Vaters von Sorge und Verzweiflung geprägt sind. Durch diese Gegensätze wird die düstere Thematik, der Kampf zwischen Leben und Tod, eindrucksvoll unterstrichen.

Weitere Informationen

Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Erlkönig“. Goethe wurde im Jahr 1749 in Frankfurt am Main geboren. In der Zeit von 1765 bis 1832 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Bedeutende Vertreter dieser Literaturepoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod 1832 ihr Ende nahm. Das Zentrum dieser Literaturepoche lag in Weimar. Es sind sowohl die Bezeichnungen Klassik als auch Weimarer Klassik gebräuchlich. Die Autoren der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. In der Weimarer Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen (Sentenzen) sind oftmals in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf Stabilität und formale Ordnung. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die Hauptvertreter der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das vorliegende Gedicht umfasst 226 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „Am 1. October 1797“, „Amytnas“ und „An Annetten“. Zum Autor des Gedichtes „Erlkönig“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1618 Gedichte veröffentlicht.

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