An meinen Brun von Friederike Brun

Vor der Geburt meines zweiten Kindes, (1786).

Wenn vielleicht, nach wenig schnellen Tagen,
Sanft mein Auge sich im Tode schließt,
Und mein Geist, entfloh’n der Erde Plagen,
Sich im Strom der Seligkeit ergießt –
 
Fliessen werden dann der Liebe Thränen,
Klagen wird die Freundschaft um das Grab,
Das, nach manchem still ertragnen Sehnen,
Mich dem Schooß der Muttererde gab!
 
Und dein Blick, du liebendster der Gatten,
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Wird voll Wehmut thau’n auf’s theure Pfand,
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Das, durch bittern Schmerz und dunkle Schatten,
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Seine Mutter an den Himmel band!
 
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Klage, Theurer! Denn mit treuer Liebe
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Liebte deines Weibes Seele dich,
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Und die reinen unschuldvollen Triebe
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Sind auch dort noch Seligkeit für mich.
 
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Wenn den süssen Erstling unsrer Herzen
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Nie vorher gefühlte Sehnsucht quält,
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Und das Vorgefühl der Erdenschmerzen
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Sich dem jungen Geist zuerst vermählt;
 
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Wenn er sucht, und nicht die Mutter findet,
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Auch nicht findet in des Vaters Arm;
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Jammernd sich an deinem Busen windet –
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Ach! wer lindert deinen bittern Harm?
 
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Dann umschwebt in lauen Frühlingsdüften,
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Deines Friedchens treuer Schatten dich;
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Gießet sanft, aus hellen Himmelslüften,
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Hohen Trost herab für dich und mich –
 
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Und du fühlst des Himmels starken Frieden,
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Aus des Kummers Nacht schaust du hervor;
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Und aus tiefem Gram, der dich hienieden
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Fest ergriff, reißt sich dein Geist empor!
 
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Freudig führt, durch lichte Himmelsauen,
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Dich entzückt dein Weib zu Gottes Thron;
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Und voll Trost, Geliebter! wirst du schauen,
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Meinen ach! zu leicht errungnen Lohn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „An meinen Brun“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
228
Entstehungsjahr
1786
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An meinen Brun“ wurde von Friederike Brun geschrieben, die zwischen 1765 und 1835 lebte. Aufgrund ihres Geburts- und Todesdatums lässt sich das Werk in die literarische Epoche der Romantik bzw. des Frühromantizismus einordnen.

Das Gedicht setzt sich mit Tod und Trauer auseinander und behandelt sie auf eine emotionale und eher melancholische Weise, was den ersten Eindruck des Gedichts prägt. Die lyrische Stimme spricht den Ehemann und das Kind an und reflektiert über ihre eigene Sterblichkeit und was nach ihrem Tod geschehen wird.

Die lyrische Stimme schließt aus dem ersten Abschnitt, dass sie den Tod als eine Art Erlösung oder auch Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen sieht („Seligkeit“). Sie äußert Empathie für die, die sie nach ihrem Tod trauern werden, und versichert ihnen, dass ihre Liebe und Zuneigung sie über den Tod hinaus begleiten werden. Sie malt ein Bild von Trauer und Verlust, das nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihr Kind einschließt, das mit ihrer Abwesenheit fertig werden muss. Die lyrische Stimme geht auch auf das Konzept der Trostspende durch den Glauben und die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits ein.

Das Gedicht besteht aus neun vierzeiligen Strophen mit alternierendem Reimschema. Die Sprache ist reich an emotionalen Bildern und erzählt die Geschichte in einer Art rhythmischer Erzählung. Friederike Bruns Sprache ist geprägt von gefühlvoller Tiefe und eindringlicher Dringlichkeit.

Die lyrische Stimme nutzt Bilder aus der Schönheit des obigen Textes, um Trost und Hoffnung zu vermitteln. Der Gebrauch des Bildes des „Stroms der Seligkeit“ und der „hellen Himmelslüfte“ drücken ihre Überzeugung von einem Paradies nach dem Tod aus. Durch die Darstellung des Todes als einen Übergang zu einer „Seligkeit“ kann das lyrische Ich ihrem Mann versichern, dass sie im Tod Glückseligkeit finden wird und dass ihr Geist weiterhin bei ihm sein wird - in Gedanken, Erinnerungen, der Liebe, die sie geteilt haben, und vielleicht in Form eines wachenden Geistes.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An meinen Brun“ der Autorin Friederike Brun. Brun wurde im Jahr 1765 in Gräfentonna geboren. 1786 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Zürich. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 228 Worte. Die Dichterin Friederike Brun ist auch die Autorin für Gedichte wie „An eine Sängerin“, „An meine Freundinn Charlotte, Gräfin von Dernath, geborne Bernstorf“ und „An meinen Mann auf der Reise“. Zur Autorin des Gedichtes „An meinen Brun“ haben wir auf abi-pur.de weitere 58 Gedichte veröffentlicht.

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