An Selma Gerstenberg von Friederike Brun

1784

Selma! Selma! du schläfst im ersten Hauche des Lenzes.
Schallt dir der freundliche Ruf nicht zum Herzen empor?
Wecket das Rauschen des Sees am umschatteten Blumengestade,
Wecket der Nachtigall Lied aus dem Schlummer dich nicht?
Scheuchet der leisere Ton, den sehnende Freundschaft dir weihet,
Nicht, mit der Liebe vereint, dir vom Auge den Schlaf?
Ach! erwache Geliebte! daß deiner harmonischen Stimme
Klage noch einmal ertön’ unter dem Rieseln des Quells.
Beugt euch tiefer herab, umschattende Zweige der Buchen;
10 
Schweige, leisester West! lausche dem lieblichen Ton!
11 
Selma, schweigest du noch? Bleibt noch geschlossen dein Auge?
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Und die Lippe, die sonst Namen der Liebe mir gab,
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Ach! sie öffnet sich nicht! es strahlt von der ruhenden Stirne,
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Mir der Friede herab, schwer errungenen Lohns!
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Selma! ich störe dich nicht im sanfterquickenden Schlummer;
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Freundlich erwecke dich uns himmlisches Morgenroth einst.
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Selma! Selma! dann, in den Hütten ewiger Wonne
18 
Tönt dein himmlisches Lied mir am Quelle der Ruh’!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.4 KB)

Details zum Gedicht „An Selma Gerstenberg“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
154
Entstehungsjahr
1784
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Selma Gerstenberg“ wurde von der dänisch-deutschen Autorin Friederike Brun (1765-1835) verfasst, die als Vertreterin der Empfindsamkeit und der Romantik betrachtet werden kann. Ihren literarischen Schwerpunkt setzte sie in der Poesie, besonders in den Versformen der Ode und des Liedes, was auch in diesem Gedicht deutlich wird.

Auf den ersten Eindruck lässt das Gedicht eine intime, innige Atmosphäre erkennen. Die Natur spielt eine zentrale Rolle, vermutlich als Spiegelbild der Gefühlswelt des lyrischen Ichs. Außerdem lässt das an eine konkrete Person gerichtete Gedicht eine starke emotionale Verbundenheit zwischen dem lyrischen Ich und „Selma“ erkennen.

Das Gedicht ist als leidenschaftlicher und zugleich sanfter Weckruf an eine geliebte Person, Selma, zu interpretieren. Das lyrische Ich ruft Selma mit dem Kommen des Frühlings auf, aufzuwachen und die Klänge der Natur und seine Liebe zu genießen. Es zeigt Unverständnis dafür, dass Selma trotz der schönen Atmosphäre und der gezeigten Zuneigung ruhig schläft. In einer aufwühlenden Wendung stellt das lyrische Ich gegen Ende des Gedichts fest, dass Selma nicht (auf)erwachen wird. Allerdings ändert sich dadurch nichts an der zuvor gezeigten Zuneigung, und am Schluss kommt der Wunsch zum Ausdruck, dass Selma eines Tages im Jenseits erweckt wird.

Das gesamte Gedicht ist in 18 Verse gegliedert und in einer gleichbleibenden, rhythmischen Form geschrieben. Der lyrische Stil wird durch den wiederholten Gebrauch von Ausrufen und die intensive Bildsprache geprägt. Die Natur- und Frühlingssymbole, verbunden mit dem dramatischen Stimmungswechsel, erzeugen eine intensive, emotionale Atmosphäre. Es ist hervorzuheben, dass das lyrisische Ich seine Gefühle und Wünsche in einer sehr direkten, persönlichen Anrede an Selma ausdrückt, was zur emotionellen Intensität des Gedichts beiträgt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „An Selma Gerstenberg“ eine tiefe, emotionale Botschaft der Liebe und des Verlusts durchdringt, die durch eine entsprechende Form und einen rhetorisch ausdrucksstarken Stil gekonnt zur Geltung gebracht wird.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An Selma Gerstenberg“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Friederike Brun. Geboren wurde Brun im Jahr 1765 in Gräfentonna. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1784 zurück. Erschienen ist der Text in Zürich. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 18 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 154 Worte. Die Gedichte „An meinen Mann auf der Reise“, „Bey Henriettens Grabe“ und „Bey Münters Grabe“ sind weitere Werke der Autorin Friederike Brun. Zur Autorin des Gedichtes „An Selma Gerstenberg“ haben wir auf abi-pur.de weitere 58 Gedichte veröffentlicht.

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