Mir träumt’: ich bin der liebe Gott von Heinrich Heine

Mir träumt’: ich bin der liebe Gott,
Und sitz’ im Himmel droben,
Und Englein sitzen um mich her,
Die meine Verse loben.
 
Und Kuchen ess’ ich und Confekt
Für manchen lieben Gulden,
Und Kardinal trink’ ich dabei,
Und habe keine Schulden.
 
Doch Langeweile plagt mich sehr,
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Ich wollt’, ich wär’ auf Erden,
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Und wär’ ich nicht der liebe Gott,
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Ich könnt’ des Teufels werden.
 
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Du langer Engel Gabriel,
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Geh’, mach’ dich auf die Sohlen,
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Und meinen theuren Freund Eugen
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Sollst du herauf mir holen.
 
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Such’ ihn nicht im Collegium,
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Such’ ihn beim Glas Tokaier;
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Such’ ihn nicht in der Hedwigskirch,
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Such’ ihn bei Mamsell Meyer.
 
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Da breitet aus sein Flügelpaar
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Und fliegt herab der Engel,
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Und packt ihn auf, und bringt herauf
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Den Freund, den lieben Bengel.
 
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Ja, Jung’, ich bin der liebe Gott,
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Und ich regier’ die Erde!
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Ich hab’s ja immer dir gesagt,
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Daß ich was Rechts noch werde.
 
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Und Wunder thu’ ich alle Tag,
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Die sollen dich entzücken,
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Und dir zum Spaße will ich heut
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Die Stadt Jr-Jr beglücken.
 
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Die Pflastersteine auf der Straß’,
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Die sollen jetzt sich spalten,
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Und eine Auster, frisch und klar,
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Soll jeder Stein enthalten.
 
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Ein Regen von Zitronensaft
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Soll thauig sie begiessen,
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Und in den Straßengössen soll
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Der beste Rheinwein fließen.
 
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Wie freuen die Jr-Jrer sich,
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Sie gehen schon an’s Fressen;
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Die Herren von dem Landgericht,
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Die saufen aus den Gössen.
 
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Wie freuen die Poeten sich
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Bei solchem Götterfraße!
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Die Leutnants und die Fähnderichs,
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Die lecken ab die Straße.
 
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Die Leutnants und die Fähnderichs,
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Das sind die klügsten Leute,
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Sie denken, alle Tag’ geschieht
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Kein Wunder so wie heute.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
269
Entstehungsjahr
1823–1824
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“ stammt von dem deutschen Schriftsteller Heinrich Heine, der von 1797 bis 1856 lebte. Heine ist einer der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller der Romantik, einer Kunst- und Kulturepoche, die sich etwa von Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts erstreckte.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und leichtfüßig. Es erzählt von einem Traum des lyrischen Ichs, in dem es sich als Gott träumt und damit maßlos übertreibt. Allerdings enthält es auch eine kritische Unternote, die vor allem in den letzten Strophen zum Vorschein kommt.

Inhaltlich dreht sich das Gedicht um die Vorstellung des lyrischen Ichs, als Gott im Himmel zu sitzen, umgeben von Engeln, die seine Verse loben. Es malt sich aus, mit Kuchen und Konfekt, bezahlt mit goldenen Gulden und ohne Schulden, verwöhnt zu werde. Doch es bringt auch zum Ausdruck, dass es sich trotz dieser vermeintlichen Vorzüge langweilt und lieber wieder auf der Erde wäre. Innerhalb dieses Traums sendet das lyrische Ich Gabriel, einen der Erzengel, auf die Erde, um seinen Freund Eugen zu ihm in den Himmel zu holen. Oben angekommen, erklärt das lyrische Ich Eugen seine Gottheit und weist auf seine Wunder hin. Es macht die Straßen zu Seen aus Rheinwein und Auster, was zur Belustigung und Ausschweifungen unter den Menschen führt.

Damit thematisiert das Gedicht zum einen die Monotonie und Leere, die mit omnipotenter Macht einhergeht und die Begrenztheit nicht nur menschlicher, sondern auch göttlicher Existenz. Zum anderen kritisiert Heine über die Darstellung der Ausschweifungen die hedonistische Gesellschaft seiner Zeit und ihre Oberflächlichkeit, was auf seine berühmte satirisch-kritische Schreibweise hinweist.

Formal betrachtet besteht das Gedicht aus 13 Strophen zu je vier Versen, was eine klare und simple Struktur ergibt. Sprachlich benutzt Heine einfache, umgangssprachliche Worte, was zu der einladenden und humorvollen Atmosphäre des Gedichts beiträgt. Gleichzeitig verleiht diese einfach verständliche Ausdrucksweise den kritischen Untertönen seines Werks eine besondere Prägnanz. Zusammenfassend zeigt dieses Gedicht exemplarisch Heines Fähigkeit, Gesellschaftskritik und humorvolle Selbstreflexion miteinander zu verbinden.

Weitere Informationen

Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. Im Jahr 1824 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 52 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 269 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Heine sind „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“, „Almansor“ und „Als ich, auf der Reise, zufällig“. Zum Autor des Gedichtes „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.

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